Berlin, 16.12.2020. Ein gut gestaltetes Ökolandbaugesetz (ÖLG) und Ökokennzeichengesetz (ÖkoKennzG) sind notwendig, um die zentralen Ziele der Bundesregierung von 20 % Bio und damit korrespondierend auch der Europäischen Kommission von 25 % Bio aus der Farm-to-Fork-Strategie sowie die Bio-Ziele der Bundesländer zu stützen, die bis zu 40 % Bio-Anteil anstreben. Das ÖLG ist aber auch wichtig, um das Funktionieren der Bio-Kontrolle in Deutschland zu sichern und so das Vertrauen in Bio-Produkte zu stärken. Es muss Änderungen der neu gestalteten EU-Verordnungen zu Bio und zur Kontrolle aufgreifen und damit wesentliche Regelungen zur Bio-Kontrolle generell sowie speziell auch zur Zertifizierung der Bio-Außer-Haus-Verpflegung (AHV) und des Bio-Einzelhandels aktualisieren. Die Neufassung des ÖLG bietet darüber hinaus die Chance, wesentliche Defizite des aktuellen Gesetzes zu beheben.
Der Gesetzentwurf vom 23.11.2020 liefert noch keine ausreichenden Antworten auf grundlegende Fragen, die sich aus den Defiziten bzw. Unklarheiten des bisherigen ÖLG und vor allem aus der notwendigen Anpassung an die neue EU-Öko-Verordnung und die Kontroll-Verordnung ergeben. In seiner jetzt vorliegenden Form würde das ÖLG die Bio-Entwicklung bremsen, statt sie zu beschleunigen.
Die Defizite des Entwurfs lassen den avisierten ambitionierten Zeitplan wenig realistisch erscheinen, da umfangreiche Änderungen notwendig sind, um die von Bund und Ländern gewünschte Wirkung des ÖLG zu ermöglichen.
Die Herausforderungen im Einzelnen:
1. Stark verzögerter Gesetzgebungsprozess
Der Entwurf des Gesetzes wurde bereits für das Frühjahr 2020 angekündigt, aber erst Ende November zur Stellungnahme vorgelegt – mit weniger als drei Wochen Kommentierungsfrist für Länder und Verbände.
Das Gesetzgebungsverfahren wird damit vom Bund sehr eng getaktet, so dass kaum Zeit bleibt, um wichtige grundsätzliche, aber auch Detail-Fragen zu diskutieren. Wichtige Vorschläge zur Weiterentwicklung des Bio-Kontrollsystems in Deutschland wurden in dem Entwurf nicht berücksichtigt.
So wie Bundesregierung, Bundesländer und Bundestag bei der Neufassung des EU-Bio-Rechts stets darauf gedrungen haben, dass Qualität vor Schnelligkeit gehen muss, muss jetzt auch bei der Novellierung des ÖLG nach diesem wichtigen Grundsatz vorgegangen werden.
Es gibt aus folgenden Gründen keine dringende Notwendigkeit, jetzt vorschnell ein ÖLG mit wesentlichen Mängeln und Lücken zu beschließen:
- Wir haben ein gut funktionierendes Öko-Kontrollsystem in Deutschland.
- Wir haben ein ÖLG, auf dessen Grundlage Bund und Länder weiterarbeiten können, falls das „neue“ ÖLG nicht zum 1.1.2022 in Kraft tritt.
- Probleme mit der EU-Kommission sind auch bei einem Inkrafttreten des ÖLG zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. 1.1.2023) nicht zu erwarten. Auch ein Vertragsverletzungsverfahren ist äußerst unwahrscheinlich.
Hilfreich ist hier der Blick auf die Anpassung an die neue Kontroll-Verordnung: Obwohl diese bereits zum 14.12.2019 in Kraft trat, hat Deutschland bisher die notwendigen Anpassungen nicht fristgerecht bzw. nur unzureichend umgesetzt (z.B. Benennung von Laboren), ohne dass daraus negative Konsequenzen erwachsen wären. Es ist üblich, dass die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten Zeit für die Anpassung ihrer Rechtsvorgaben lässt.
Da im jetzt vorgelegten Entwurf wichtige Punkte bei Themen wie der Außer-Haus-Verpflegung oder den Regelungen bezüglich Grenzkontrollstellen noch nicht enthalten sind, müsste bei einer Verabschiedung das ÖLG zeitnah nochmals novelliert werden.
2. Inhaltliche Defizite des Vorschlags
Die mit dem vom BMEL vorgelegten Entwurf vorgeschlagenen Änderungen sind im Vergleich zum heute gültigen ÖLG minimal: Außer formalen Anpassungen (aktualisierte Verweise) an die neue Öko-Verordnung (EU) 2018/848 und die neue Kontroll-Verordnung (EU) 2017/625 gibt es kaum Änderungen. Damit unterbleiben notwendige Weiterentwicklungen und Verbesserungen des nationalen Rechtsrahmens, und neue Gestaltungsmöglichkeiten, die der EU-Gesetzgeber ausdrücklich vorsieht, werden nicht genutzt.
Auf folgende wichtige Herausforderungen muss das ÖLG reagieren. Dazu liegen bereits seit längerem substanzielle Vorschläge oder kritische Analysen von Ländern und Verbänden vor:
a) Kontrollsystem: Aufgabenteilung zwischen Kontrollstellen und Behörden
Wie werden künftig die Aufgaben zwischen Behörden und Kontrollstellen effektiv und effizient aufgeteilt? Wie kann das rechtlich sauber und einheitlicher als bisher umgesetzt werden?
Hier geht es um die Frage von Mitwirkung bzw. Beleihung und den Erhalt des zweistufigen Kontrollsystems aus behördlicher Überwachung und privaten Kontrollstellen. Der ÖLG-Entwurf übernimmt in § 2 die jetzige Regelung: Die Länder sollen das über Landesverordnungen individuell regeln. Dafür stehen ihnen „Mitwirkung“ oder „Beleihung“ zur Verfügung. Es soll also künftig 16 verschiedene Landesverordnungen geben, und jedes Land entscheidet selbst, was es wie überträgt. Ein bundeseinheitlicher Rahmen über das ÖLG wird nicht vorgeschlagen, ebenso wenig werden Aufgaben bereits mit dem ÖLG übertragen (§ 3).
Einschätzung des BÖLW:
- Beleihung und Mitwirkung sind rechtlich nicht (klar) definiert, auch nicht im Verwaltungsverfahrensgesetz. Es sind rein deutsche Rechtstraditionen, die es im Europarecht nicht gibt. Das hat unterschiedliche Auslegungen und Umsetzungen in den einzelnen Bundesländern befördert. Die Änderung des ÖLG wäre die Gelegenheit, dies zu verbessern und bundeseinheitlicher zu regeln. Hinzu kommt: Die Aufgabenübertragung per Beleihung und Mitwirkung sind ein deutscher Sonderweg in der EU.
- Beleihung und Mitwirkung und die entsprechenden Ermächtigungen im ÖLG fußen daher auf einer schwachen rechtlichen Grundlage. Das bedeutet aber auch: Die Rechtsverordnungen für die Länder bieten keine solide Rechtsgrundlage für die Übertragung der Aufgaben an die Kontrollstellen – weder bei Beleihung noch bei Mitwirkung.
- Beleihung bedeutet in der deutschen Rechtstradition: Die beliehene Stelle wird als "funktionale Behörde" Teil der beleihenden Stelle. Behörden aber sind immer hoheitlich tätig und unterstehen bestimmten Voraussetzungen: Verwaltungsverfahrensrecht, Verwaltungskostenrecht, Mittelausstattung durch den Staat, Amtshaftung, strikte Trennung zu privaten Tätigkeiten, Wettbewerbsverbot zu anderen Behörden, Amtshaftung, Prozessrisiko für den Staat usw.
- Die Beleihung wird in diesem Sinne bisher in keinem Bundesland wirklich stringent umgesetzt. Auch in den beleihenden Ländern sind die Kontrollstellen bisher nicht als funktionale Behörde tätig (sie bleiben private Stellen und kontrollieren und rechnen so ab, sie erlassen keine Verwaltungsakte und bleiben in der Haftung). Nimmt man die Beleihung also künftig ernst, werden Kontrollstellen zu Behörden und müssen auch so agieren. Das ist eine große Änderung gegenüber dem bisher eingeführten und umgesetzten Kontrollsystem. Die Folgen einer solchen Änderung des Kontrollsystems sind gravierend, und es fehlt eine Folgenabschätzung.
- Die Aufgabenübertragung per Beleihung gefährdet zudem die Funktionalität des bestehenden Kontrollsystems: Die Kontrollstellen müssten künftig auf Grundlage von Gebührenregelungen der Länder abrechnen. Es ist unklar, inwieweit eine kostendeckende Abrechnung der Kontrollleistungen weiterhin möglich sein kann. Fragen ergeben sich auch dadurch, dass eine beliehene Stelle stets nur in dem Gebiet der beleihenden Behörde tätig sein darf. Dies führt zu zusätzlicher Bürokratie für die Betriebe (und die Kontrollstellen), nicht zuletzt im Fall von Betrieben/Unternehmen mit Flächen/Standorten in verschiedenen Bundesländern.
- Eine Beleihung erschwert massiv die Integration zusätzlicher, „nicht-amtlicher“ Kontrollaspekte wie z. B. die Überprüfung der Einhaltung von halbstaatlichen oder privaten Standards wie bspw. „Regionalfenster“, „ohne Gentechnik“ oder Verbandssiegeln. Bisher können EU-Bio-Kontrolle und andere Kontrollen problemlos kombiniert werden. Solche Kombiaudits reduzieren die Bürokratielasten für die Betriebe (und natürlich für Kontrollstellen und Behörden) maßgeblich und ermöglichen eine Qualitätsdifferenzierung am Markt. Die bürokratischen Lasten für die Betriebe und Kontrollstellen dürfen grundlos und ohne Verbesserung nicht weiter steigen.
- Die Kontrollstellen haben trotz unterschiedlicher Rechtsvorgaben in den Ländern bisher mit erheblichen Eigenleistungen für eine einheitliche Umsetzung des Kontrollverfahrens gesorgt. Das sollte sich mit dem künftigen ÖLG ändern und die Aufgabenverteilung besser als bisher und rechtlich solider geregelt werden. Durch die Diskussion um die Umsetzung der Kontrollverordnung und das ÖLG ist vielen Ländern deutlich geworden, dass die bisherigen Landesverordnungen künftig so nicht fortgeführt werden können.
- Um die Bio-Kontrolle einheitlicher als bisher zu regeln, bietet es sich an, die Zulassung und Überwachung der Kontrolle aus einer Hand durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im künftigen ÖLG zu verankern. Das würde zu einer Vereinfachung beitragen, da die Zulassung bereits zentral durch die BLE erfolgt. Auch die Akkreditierung der Kontrollstellen erfolgt zentral über die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS). Zudem wird eine solche Lösung vom BMEL auch in anderen Regelungsbereichen wie dem geplanten „Tierwohlkennzeichen“ für möglich gehalten bzw. so umgesetzt. Die Überwachung der Tätigkeiten der Unternehmen bliebe dabei wie bisher auch in der Hand der zuständigen Behörden in den Ländern.
- Die Zulassung und Überwachung der Labore, die nach der EU-Kontroll-Verordnung gefordert ist, erfolgt bisher einzeln durch die Länder. Das ist ein unsinnig aufwändiges Verfahren. Auch hier bietet sich eine bundesweite Zulassung und Überwachung der Labore an, ähnlich wie es bei den Kontrollstellen auch bereits üblich ist. Dies wird auch von den Bundesländern so unterstützt.
Fazit:
- Das bewährte zweistufige Kontrollsystem muss erhalten bleiben: private Kontrolle durch private Kontrollstellen – Zulassung und Überwachung der Kontrollstellen durch staatliche Behörden. Die rechtliche Grundlage dafür sollte jedoch verbessert werden. Insbesondere die Beleihung bietet diesen Rahmen nicht. Kontrollstellen sollen private Sachverständige bleiben und auskömmliche sowie kostendeckende Vergütungen ihrer Leistungen erheben dürfen.
- Die Bio-Kontrolle muss stärker als bisher harmonisiert werden. Wir schlagen deshalb eine zentrale, bundeseinheitliche Übertragung von Aufgaben an Kontrollstellen vor, statt in einzelnen Landesverordnungen die Übertragung von Aufgaben im Rahmen der Bio-Kontrolle jeweils unterschiedlich über die Beleihung oder Mitwirkung zu regeln.
- Folgende Aufgaben sollten bundesweit einheitlich an die Kontrollstellen übertragen werden:
- die Durchführung der Kontrolle und Zertifizierung einschließlich der Ausstellung der Bio-Zertifikate,
- die Überprüfung von Verdachtsfällen und die Feststellung von Verstößen gegen die Anforderungen des Bio-Rechts einschließlich deren Meldung,
- die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Pflanzenvermehrungsmaterial (Saat- und Pflanzgut).
- Kontrolle und Zertifizierung einschließlich der Ausstellung der Zertifikate gehören zusammen und sollen weiterhin von den privaten Kontrollstellen durchgeführt werden. Für die Durchführung der Bio-Kontrolle als „amtliche Kontrolle“ (nach Art. 1 (2) Buchstabe i) der VO (EU) 2017/625) ist unstrittig, dass diese „amtlichen“ Kontrolltätigkeiten von privaten Kontrollstellen durchgeführt werden dürfen. Die Kontrollstellen dürfen amtliche Tätigkeiten übernehmen, weil sie staatlich zugelassen, akkreditiert und überwacht werden. Amtlich muss also nicht unbedingt behördlich bedeuten.
- Aber auch das Ausstellen des Bio-Zertifikats kann an Kontrollstellen übertragen werden, weil ein Bio-Zertifikat nach Art. 35 (3) zwar eine „amtliche Bescheinigung“ ist, aber ebenso wie „amtliche Kontrolle“ oder „amtliche Labore“ jeweils von privaten Stellen übernommen werden dürfen. Das wird auch dadurch bestätigt, dass in Art. 35 (1) der VO (EU) 2018/848 ausdrücklich festgehalten ist, dass das Zertifikat von Behörden oder Kontrollstellen ausgestellt werden darf.
- Auch die Ausnahmegenehmigungen für konventionelles Saat- und Pflanzgut dürfen an Kontrollstellen übertragen werden, weil – im Unterschied zu allen anderen Ausnahmen – eine Übertragung dieser Tätigkeit an Kontrollstellen nach Art. 40 (4) b) VO (EU) 2018/848 nicht ausgeschlossen ist.
- Gerade weil die Bundesländer sich bei diesen Aufgaben nicht einig sind, ob sie hoheitlich per Verwaltungsakt erfolgen müssen, muss dies einheitlich über das ÖLG geklärt werden. Deshalb spricht viel dafür, die Durchführung der Kontrollen einschließlich der Untersuchung und Feststellung von Verdachtsfällen, die Ausstellung der Zertifikate und die Ausnahmegenehmigungen für Saat- und Pflanzgut einheitlich über das ÖLG an die Kontrollstellen zu übertragen.
- Dem gegenüber ist die Sanktionierung von Verstößen ein hoheitlicher Eingriff in Eigentumsrechts von Betrieben oder Unternehmen und sollte deshalb entweder den Behörden vorbehalten sein oder per Beleihung den Kontrollstellen übertragen werden.
b) Außer-Haus-Verpflegung
Wie können künftig AHV-Einrichtungen rechtssicher die Bio-Anteile der verwendeten Zutaten ausloben, auch um z. B. Vorgaben von Kommunen, den Ländern oder auch des BMEL für öffentliche Einrichtungen, Schulverpflegungssysteme etc. zu erfüllen?
Der Entwurf für das ÖLG schlägt in § 6 vor, wie bisher auch die Außer-Haus-Verpflegung der Kontrolle zu unterstellen. Weitere Erleichterungen für die Zertifizierung der Gemeinschaftsküchen sind nicht vorgesehen. Es ist nicht einmal klar geregelt, dass sich nur gewebsmäßig betriebene Küchen zertifizieren lassen müssen. Der Entwurf sieht keine Regelung vor, nach der Bio-Anteile in der Außer-Haus-Verpflegung ausgelobt und damit auch im Rahmen der Bio-Kontrolle kontrolliert werden können, obwohl viele Länder und Kommunen gerade dafür eine Lösung suchen. Auch ist nicht geregelt, wie die Auslobung von Bio-Speisen, -Komponenten oder -Zutaten künftig erfolgen soll.
Einschätzung des BÖLW:
- Die Beibehaltung der Öko-Kontrollpflicht für die AHV halten wir aus Gründen des Verbraucherschutzes, aber auch mit Blick auf faire Wettbewerbsbedingungen für andere Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft für zwingend. Es ist deshalb richtig, die Kontrollpflicht in der AHV auch künftig im ÖLG zu verankern. Es muss allerdings unbedingt klargestellt werden, dass sich nur gewerbsmäßige Einrichtungen der Kontrolle unterstellen müssen und eine Zertifizierung benötigen. Dies darf nicht für Kitas oder Schulen mit eigenen Frischküchen usw. gelten.
- Allerdings sind bei der Kontrolle der Küchen spezielle Regeln erforderlich. Eine „Komplettübernahme“ aller Vorschriften der neuen EU-Öko-Verordnung (EU) 2018/848 inkl. „Vorsorge-Verpflichtungen“ gegen Kontaminationen hätten eine massiv abschreckende Wirkung auf alle AHV-Betriebe, die sonst für eine Verwendung von Bio-Zutaten aufgeschlossen wären. Wenn schon die „normalen“ Kontroll-Anforderungen als Hemmschwelle betrachtet werden, gilt dies natürlich umso mehr für zusätzliche Auflagen. Auch dies muss im ÖLG geregelt werden.
- Unbedingt nötig ist, dass im Rahmen des ÖLG die rechtlichen Voraussetzungen für eine freiwillige Auslobung von Mindestanteilen an Bio-Produkten in der Außer-Haus-Verpflegung und deren Überprüfung geschaffen werden. Das ist einerseits wichtig, um für die quantitativen Ziele in den Plänen und Initiativen der Bundesländer und des Bundes einen einheitlichen Rahmen zu schaffen. Ohne entsprechende Regelungen im ÖLG können die Bio-Anteile in der Gemeinschaftsverpflegung gar nicht durch das Bio-Kontrollsystem erfasst und überprüft werden. Das jetzt vorgeschlagene Gesetz würde auch die BMEL-Initiative „BioBitte“ sabotieren, weil auch dort 20 % Bio-Anteil bis 2025 vorgesehen ist. Ohne Regelung im ÖLG müssten neue Parallel-Systeme jenseits der Bio-Kontrolle zur Überprüfung der Bio-Anteile in der AHV geschaffen werden – ein unnötiger Aufwand.
- Die bisher übliche Auslobung von Speisen, Zutaten oder Komponenten ist schwer verständlich, und entspricht nicht den Kennzeichnungsregeln der Öko-Verordnung. Das ÖLG böte den geeigneten Rahmen, dies zu ändern und zu verbessern. Auch ist es bisher in den Großküchen erlaubt, die gleichen Zutaten sowohl in Bio-Qualität als auch konventionell zu verwenden, was im laufenden Betrieb einer Großküche das Risiko von Verstößen erhöht. Deshalb sollte der Komplettaustausch von Zutaten für die Gemeinschaftsverpflegung festgelegt werden.
- Da derzeit die Ergebnisse eines BÖLN-Projektes „Mehr Bio mit Zertifikat in der Außer-Haus-Verpflegung“ noch nicht vorliegen und eine breitere fachliche Diskussion dieser noch nicht erfolgen konnte, kann die Festlegung einer umfassenden Regelung im Rahmen des ÖLG schwierig sein kann. Es bietet sich daher an eine Regelung zur AHV in eine Verordnung des Bundes (mit Zustimmung des Bundesrates) auszulagern unter folgenden Voraussetzungen:
- § 6 zu den Vorschriften für die AHV muss einen eindeutigen Verweis auf eine nationale Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates enthalten, die detaillierte Regeln zur Kontrolle, Zertifizierung und Auslobung in der AHV enthält. Keinesfalls darf §6 ersatzlos gestrichen werden, sondern eine Nachfolgeregelung im Rahmen einer Rechtsverordnung muss aufgenommen werden. Sollte es nicht möglich sein, die Zertifizierungspflicht in der AHV nicht in einer Rechtsverordnung zu verankern, so muss sie jetzt in das ÖLG aufgenommen werden.
- Darüber hinaus schlagen wir eine Auffangregelung vor für den Fall, dass die nationale Verordnung mit Regeln für die AHV nicht rechtzeitig zum 1.1.2022 fertig werden sollte. Ziel ist es, dass die bestehenden Regeln solange weiter gelten, bis neue erlassen werden und damit die künftigen Regeln zur AHV nicht schlechter sind als die heutigen.
Fazit:
Die Kontrollverpflichtung für AHV-Einrichtungen muss weiterhin bestehen bleiben, aber die Kontrolle an die Besonderheiten dieses Segmentes angepasst werden. Dafür sollten Ergebnisse des BÖLN-Projektes „Mehr Bio mit Zertifikat in der Außer-Haus-Verpflegung“ genutzt werden.
Die Auslobung von Bio-Angeboten in der AHV muss einen klaren rechtlichen Rahmen erhalten und die freiwillige Auslobung von Bio-Anteilen in der AHV und deren Überprüfung im Rahmen der Bio-Kontrolle ermöglicht werden. Ein Aufwuchs von (teuren und bürokratischen) Parallelstrukturen und damit eine Schwächung der Bio-Kontrolle müssen vermieden werden. Detail-Kriterien für eine grafische Auslobung (Siegel, Sterne o. ä.) sollten jetzt noch nicht festgelegt, sondern nur die rechtliche Voraussetzung dafür geschaffen werden.
c) Einzelhandelskontrolle
Im ÖLG-Entwurf wird die nationale Ausnahme für die Befreiung des Einzelhandels mit den Grenzen, die die Öko-Verordnung in Art. 35.8 VO (EU) 2018/848 vorgibt, übernommen. Allerdings ist nicht eindeutig, dass die Befreiung sich nur auf Einzelhändler bezieht, die auch mit unverpackten Lebensmitteln handeln bzw. wofür genau die Grenzen festgelegt sind. Eine Regelung, wie künftig die behördliche Meldung dieser von der Zertifizierung befreiten Einzelhändler erfolgen soll, gibt es nicht.
Einschätzung des BÖLW:
Die Regelung wirkt etwas aus dem Zusammenhang gerissen und ist deshalb nicht eindeutig genug. Es bedarf folgender Präzisierungen:
- Es sollte klar sein, dass es um Einzelhändler geht, die zusätzlich zum Handel mit verpackten Waren auch mit unverpackten Bio-Lebensmitteln handeln.
- Bei den Obergrenzen muss klargestellt werden, dass diese jeweils einzeln gelten (oder) und dass die Mengenangabe (5.000 kg) für unverpackte Bio-Lebensmittel gilt. Dies sind Schwächen der EU-Regelung.
- Einzelhändler, die unterhalb der vorgeschriebenen Grenzen für unverpackte Bio-Lebensmittel bleiben, sind von der Kontrolle und Zertifizierung befreit. Sie unterliegen jedoch einer Meldepflicht. Es muss folglich eine Regelung getroffen werden, wer was an wen melden muss. Es ist ebenfalls zu klären, wer überprüft, ob die Meldungen tatsächlich abgegeben werden und welche Konsequenzen sich ergeben, wenn keine Meldung abgegeben wird.
Fazit:
Eine Ausnahme für Einzelhändler, die mit unverpackten Waren handeln, ist nur in einem begrenzten Rahmen möglich. Da die EU-Regelung Ungenauigkeiten enthält, die zu unterschiedlichen Auslegungen führen können, sollten diese im ÖLG beseitigt werden.
d) Importe und Grenzkontrollstellen
Die Rolle und Aufgaben der Grenzkontrollstellen und deren Zusammenarbeit mit dem Zoll sind bisher EU-rechtlich noch nicht genau festgelegt. Diese Aufgaben müssen jedoch im ÖLG festgelegt werden. Dies ist angesichts dessen, dass die entsprechende EU-Regelung fehlt, nur eingeschränkt möglich. Zudem sollten die Abläufe rund um TRACES geklärt sein. Auch das spricht dafür, das ÖLG so weit zurückzustellen, bis die Rechtsgrundlagen so klar sind, dass eine gute Regelung im ÖLG getroffen werden kann, wie Importe künftig abgewickelt werden sollen.