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Ist Bio klimafreundlich?*

Klimaschützer mit zusätzlichem Potenzial

Die Landwirtschaft trägt mit erheblichen Emissionen zum Klimawandel bei. Zugleich ist sie von dessen Folgen in besonderem Maß betroffen und kann auch zur Lösung der Klimakrise beitragen. Bio hat als System das Potential, klimafreundlich zu wirtschaften. Die Ökologische Landwirtschaft hat eine günstige Energiebilanz, geringe Lachgas-Verluste und schafft durch erfolgreiche Humusanreicherung eine Senke, in der Kohlenstoff dauerhaft festgesetzt werden kann. Noch besser ausschöpfen ließe sich das Bio-Klimaschutzpotential durch den verstärkten Einsatz regenerativer Energien, energieeffizienter Methoden und die nachhaltige Steigerung der Flächen- und Tierproduktivität.

Klimakrise und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist bedeutende Mitverursacherin der Klimakrise. Sie setzte in Deutschland 2016 insgesamt 65,2 Mio.t CO2-Äquivalente an Treibhausgasen und damit 7,2 % aller CO2-Emissionen frei [1]. Wird die energieaufwendige Herstellung von Mineraldünger und von Kalken, der Dieselverbrauch landwirtschaftlicher Fahrzeuge und Maschinen sowie der Humusabbau durch Grünlandumbruch sowie der Entwässerung von Niedermooren hinzugezählt, steigt der durch die hiesige Landwirtschaft verursachte Anteil der Treibhausgas-Emissionen auf rund 13 % [2].

Besonders hoch ist ihr Anteil an der Gesamtemission von Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die eine 23-mal bzw. 296-mal verschärfende Klimawirkung als CO2 haben. Diese Gase entstehen vor allem durch Stoffwechselprozesse auf dem Acker und bei der Verdauung von Wiederkäuern, wobei über zwei Drittel der landwirtschaftlichen Treibhausgase aus der Tierhaltung stammen [3].

Die Landwirtschaft muss einerseits ihre Emission von Treibhausgasen reduzieren (Kyoto-Protokoll, Pariser Klimavertrag, Klimaschutzplan 2050) und andererseits an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst werden. Die Klimakrise führte in den letzten 100 Jahren zu einem weltweiten Temperaturanstieg von 0,6 bis 0,7° C. Die scheinbar kleinen Temperaturänderungen haben eine große Wirkung auf die räumliche und zeitliche Niederschlagsverteilung und damit auch auf die Landwirtschaft [5]. Besonders in Nordostdeutschland wird es häufiger zu Wasserknappheit kommen. Schwierig ist zudem die Anpassung der Landwirtschaft an die ebenfalls zunehmenden, unvorhersehbaren Klimaextreme. Sie werden mit unterschiedlicher Intensität in den verschiedenen Regionen Deutschlands auftreten und Folgen für die Ertragsmengen und -qualitäten haben; der Dürresommer 2018 zeigte zuletzt sehr deutlich die Auswirkungen der Klimaveränderungen. Neben den direkten wird es indirekte Wirkungen des Klimawandels geben. Bislang regional unbekannte Unkräuter, Schadorganismen (v. a. Pilze), Parasiten und Schädlinge können zu Ertrags- oder Qualitätsverlusten bei Kulturpflanzen und Nutztieren führen. Hier ist auch die Öko-Landwirtschaft vor neue Herausforderungen gestellt [6].

Ökologische Landwirtschaft ist klimafreundlich

Verschiedene Studien zeigen, dass die Ökologische Landwirtschaft klimafreundlicher ist als die konventionelle [4; 8]. Dies beruht auf zentralen Vorteilen: Die Produktion von chemisch-synthetischen Pestiziden und mineralischen Düngemitteln ist sehr energieaufwändig, ihr Einsatz setzt Lachgas frei. Bio-Bauern setzen diese Stoffe nicht ein, der Ökolandbau hat daher eine günstigere Energiebilanz und wesentlich geringere Lachgas-Verluste je Hektar [7].

Auch der geringere Tierbesatz der Öko-Betriebe vermindert negative Klimaeffekte deutlich. Laut Vergleichsdaten des Testbetriebsnetzes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) werden auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben durchschnittlich weniger Großvieheinheiten je Hektar gehalten als auf vergleichbaren konventionellen Betrieben [4]. Betriebseigene bzw. regionale Futterproduktion ist ein weiterer Bio-Klimavorteil. 30 % des Kraftfutters für die konventionelle Tierhaltung stammen aus Übersee [3]. Der höhere Raufutteranteil in der Ration von Wiederkäuern führt zu höheren Anteilen an Grünland bzw. Ackerfutterbau je Tier, welche klimafreundlich sind, da Grünland infolge höherer Humusgehalte mehr Kohlenstoff speichert als Ackerland. Generell zeichnet sich der Ökolandbau durch Humusanreicherung aus [9]. Humus enthält viele organische Kohlenstoffverbindungen und wird deswegen auch als Senke für Kohlenstoff bezeichnet. Der Humusgehalt des Bodens wird durch Kulturfrüchte und Bewirtschaftung verändert: Es gibt Nutzpflanzen mit negativer (z. B. Getreide, Mais) und solche mit positiver (z. B. Kleegras, Grünland) Humusbilanz. Der Anteil Humus zehrender Kulturarten ist im Ökolandbau geringer als im konventionellen. Vor allem der Kleegras-Anbau als Teil der Fruchtfolge verbessert die Humusbilanz der Öko-Betriebe zusätzlich.

Statt die Klimawirkung je Fläche bzw. je Tier zu bewerten, kann sie auch je kg Lebensmittel analysiert werden. Vergleichende Studien auf Produktebene zeigen, dass der Vorteil des Ökolandbaus hier zwar geringer, aber immer noch vorhanden ist [4; 7] (Tabelle). Eine Verringerung des Fleischkonsums würde die Klimawirksamkeit der Ernährung insgesamt wesentlich reduzieren [8]. In der Ökologischen Landwirtschaft bewirkt dies der erheblich höhere Preis von Fleischprodukten. Durch die geringere Fleischproduktion sinkt der Bio-Flächenanspruch und gleicht den aufgrund etwas niedrigerer Erträge bei Ackerkulturen höheren Flächenbedarf aus.

Zusätzliche Bio-Klimaschutzpotenziale

Trotz der relativen Vorzüglichkeit seiner Klimawirkung kann auch die Ökologische Landwirtschaft ihre Klimaschutzpotenziale besser ausschöpfen. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes wurden 2009 bis 2012 in Deutschland 40 ökologische und 40 konventionelle landwirtschaftliche Betriebe in vier Regionen Deutschlands in ihrer gesamtbetrieblichen Klimawirkung miteinander verglichen [7]. Aus dieser weltweit einmaligen Studie kann geschlossen werden, dass die Ökologische Landwirtschaft nicht nur pro Fläche (ha), sondern auch pro Produkteinheit (umgerechnet als Getreideeinheiten) grundsätzlich weniger Treibhausgase bei Weizen und bei der Milchproduktion emittiert als vergleichbare konventionelle Betriebe. Es gibt jedoch eine große Spannbreite und Überlappungen. Bio darf sich deswegen auf seinen gegenwärtigen Leistungen nicht ausruhen [4].

Im Gegensatz zum konventionellen Landbau arbeitet die Öko-Landwirtschaft Input-optimiert. Die Herausforderung besteht darin, die Bio-Erträge zu verbessern, ohne diese systemische Input-Optimierung aufzugeben. Hierzu müssen das Nährstoff-Management verbessert, die Konkurrenzkraft der Kulturpflanzen gestärkt und geeignetere Sorten gezüchtet werden. Im Pflanzenbau können Fortschritt eder Landtechnik besser genutzt und reduzierte Bodenbearbeitungsverfahren sowie emissionsmindernde Maßnahmen bei der Düngerausbringung verstärkt angewandt werden.

Moorböden müssen sukzessive aus der Nutzung genommen werden, da deren notwendige Entwässerung zur Freisetzung von Klimagasen führt. Gegenwärtig stammen ca. 98 % der CO2-Nettoemissionen der Böden aus Mooren, obwohl sie nur 5 % der Fläche ausmachen. Insgesamt werden 80 % der deutschen Moore landwirtschaftlich genutzt. Moor als Grünland emittiert 2 bis 8 t CO2-Äquivalente je Hektar und Jahr, Moor in Ackernutzung sogar 4 bis 16 je Hektar und Jahr. Bei einer Wiedervernässung tritt zunächst vermehrt Methan aus, in der langfristigen Bilanz gilt ein Moor aber als Kohlenstoff-Senke [10].

In der Tierhaltung sollte eine tierschutzgerechte Erhöhung der Produktivität pro Tier (Gesundheit, Zucht, Langlebigkeit) angestrebt werden. Sinnvoll wäre insbesondere eine verbesserte Futterverwertung [3; 8]. Weitere Klimaschutzpotenziale liegen in regenerativen Energieträgern und klimafreundlichen Betriebsmittel sowie in der Wiederverwendung aller betrieblichen Rohstoffe. Vielversprechend ist auch, Gehölze als CO2-Senken in den Betrieb zu integrieren (agro-silvo-pastorale Systeme) [5].

Foto Header: Demeter e.V., Eva Müller


* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an einigen Stellen aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.


Quellen:

[1] Umweltbundesamt (UBA) (2018): Umwelt und Landwirtschaft 2018, Dessau-Roßlau.

[2] Umweltbundesamt (UBA) (2013): Klimaschutz und Emissionshandel in der Landwirtschaft, Dessau-Roßlau.

[3] FAO (2010): Greenhouse Gas Emissions from the Dairy Sector. A Life Cycle Assessment. Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Rome, Italien.

[4] Rahmann, G. (2010): Impact of organic farming on global warming – recent scientific knowledge. Proceeding of the International Conference on Organic Agriculture in Scope of Environmental Problems. 03–07 February 2010 in Famagusta, Türkei.

[5] Osterburg, B., Nieberg, H., Rüter, S., Isermeyer, F., Haenel, H. D., Hahne, J., Krentler, J. G., Paulsen, H. M., Schuchardt, F., Schweinle, J. und Weiland, P. (2009): Erfassung, Bewertung und Minderung von Treibhausgasemissionen des deutschen Agrar- und Ernährungssektors. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Braunschweig, Hamburg und Trenthorst.

[6] Schaller, M. und Weigel, H. J. (2007): Analyse des Sachstandes zu Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die deutsche Landwirtschaft und Maßnahmen zur Anpassung. Landbauforschung Völkenrode, Sonderheft 316, Braunschweig.

[7] Hülsbergen, K.-J. und Rahmann, G. (Hrsg.) (2012): Klimawirkungen und Nachhaltigkeit ökologischer und konventioneller Betriebssysteme – Untersuchungen in einem Netzwerk von Pilotbetrieben. Projektbericht. Verbundprojekt gefördert durch das BÖLN und Mittel der nationalen Klimaberichterstattung. 

[8] Rahmann, G., Aulrich, K., Barth, K., Böhm, H., Koopmann, R., Oppermann, R., Paulsen, H.M. und Weißmann, F. (2008): Klimarelevanz des ökologischen Landbaus – Stand des Wissens. In: Agriculture and Forestry Research 1/2 2008 (58), S. 71–89.

[9] Fließbach, A., Oberholzer, H.R., Gunst, L. und Mäder, P. (2006): Soil organic matter and biological soil quality indicators after 21 years of organic and conventional farming. In: Agric Ecosyst Environ 118 (1–4), S. 273–284.

[10] Gensior, A. und Zeitz, J. (1999): Einfluss einer Wiedervernässungsmaßnahme auf die Dynamik chemischer und physikalischer Bodeneigenschaften eines degradierten Niedermoores. In: Archiv für Naturschutz und Landschaftsforschung 38, S. 267–302.

foodwatch (Hrsg.) (2008): Klimaretter Bio? Der food-watch-Report über den Treibhauseffekt von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft in Deutschland. Basierend auf der Studie „Klimawirkungen der Landwirtschaft in Deutschland“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, Berlin.

Fritsche, U. R., Eberle, U., Wiegmann, K. und Schmidt, K. (2007): Treibhausgasemissionen durch Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln – Arbeitspapier. Öko-Institut e.V., Darmstadt/Hamburg.

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