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Neues Bio-Recht: Was bleibt, was ist neu

Seit 1.1.2022 gilt die neue EU-Öko-Verordnung

Berlin, 01.01.2021. Mehr als fünf Jahre dauerte die Überarbeitung der Öko-Basis-Verordnung, die 2018 in Kraft trat. Weitere drei Jahre wurden die Detailregeln ausgearbeitet. Bis Jahresende 2021 wurde hart um die letzten Passagen des neuen Bio-Rechts gerungen – ganz so wie in den vergangenen Jahren. Das Ergebnis: ein neuer Rechtsrahmen seit 1.1.2022 mit vielen guten, bewährten Regeln, positiven Weiterentwicklungen, einigen Unklarheiten und wenigen kritischen Punkten.

Öko-Verordnung bleibt mit Abstand strengster Produktionsstandard

Die neue Öko-Verordnung bleibt ihren Grundsätzen treu. An allen Stellen, wo die Ernährungswirtschaft in der Breite nachhaltiger werden muss, sorgt das Bio-Recht dafür: bei der Pflanzengesundheit und der Tierhaltung, um nur zwei wichtige Bereiche zu nennen. Fortgeführt wird der Grundsatz der Prozessqualität , d.h. dass Bio dadurch definiert ist, dass bestimmte Anforderungen bei der Erzeugung und Verarbeitung eingehalten werden – und das auch bei der Kontrolle überprüft wird. Der moderne Prozessansatz und die regelmäßigen jährlichen Kontrollen machen das Bio-Recht nicht nur einmalig, sondern weiter zum strengsten Standard in der Land- und Lebensmittelwirtschaft.

Systemprägend: Die Zertifizierung vom Acker bis in den Handel, Regeln für Importe aus Drittländern und ein umfassendes Kontrollsystem sowie eine gesetzlich geschützte Bio-Kennzeichnung. Die flächengebundene, artgerechte Tierhaltung, die organische Düngung, das Verbot von chemisch-synthetischen Pestiziden, mineralischen Düngern und von Gentechnik. Die Herstellung von Bio-Lebensmitteln, die auf die Maxime setzt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Neu: Vorsorgemaßnahmen für alle, Geltungsbereich erweitert

Übergeordnet stechen folgende Neuheiten hervor: Das neue Bio-Recht wurde um „landwirtschaftsnahe Produkte“ wie beispielsweise Mate, Bienenwachs oder pflanzliche Zubereitungen wie Heiltees erweitert. Frühere Grenzfälle sind jetzt klar dem Bio-Grundgesetz zugeordnet. Der Lebensmittelverschwendung beugt die Öko-Verordnung mit einer Abverkaufsregel vor: Rohstoffe wie Getreide und verpackte Produkte wie Müsli, die nach altem Recht erzeugt wurden, dürfen unbegrenzt verkauft bzw. verarbeitet werden, ebenso Halbfertigerzeugnisse wie Fruchtpürees. Alles natürlich in den Grenzen der Haltbarkeit.

Viel diskutiert wurden die Regeln zu den Vorsorgemaßnahmen, mit denen der Eintrag von Stoffen vermieden werden soll, die für Bio nicht zugelassen sind. Neu hier: Neben den Herstellerinnen und Herstellern müssen auch die Landwirtschaftsbetriebe, die Händlerinnen sowie Importeure bei der Bio-Kontrolle nachweisen, dass sie die Vorsorgemaßnahmen umsetzen. Die Maßnahmen betreffen nur den eigenen Einflussbereich der Unternehmen – und damit weder das, was beispielsweise die Nachbarin oder der Lieferant tun, noch Umweltkontaminanten wie Dioxin, da sie jenseits dessen liegen, was das Bio-Unternehmen selbst bestimmen kann.

Chemisch-synthetische Pestizide und Gentechnik bleiben tabu

Beim Pflanzenbau festigt das neue Bio-Recht das Prinzip des bodengebundenen Anbaus und schließt jetzt auch den Unter-Glas-Anbau ein. Nur für Topf- und Jungpflanzen, Sprossen und Chicorée-Treiberei gibt es Sonderregeln. Ebenfalls neu: Ein verpflichtender Leguminosen-Anteil in der Fruchtfolge.

Beim Thema Saatgut stärkt die Öko-Verordnung das Prinzip „Bio von Anfang an“, mit Regeln für öko-gezüchtete Sorten und heterogenes Material. Anreize für mehr öko-vermehrtes Saatgut entstehen daraus, dass künftig alle EU-Staaten eine Liste von Sorten bzw. Arten führen müssen, für die es keine Ausnahmegenehmigungen für konventionelles Saatgut bzw. Vermehrungsmaterial mehr gibt – in Deutschland ist das längst etabliert.

Was Pflanzengesundheit angeht, bleibt Öko den altbewährten Naturstoffen treu. Es wurde lediglich neu sortiert und die unkritischen Grundstoffe prominenter platziert. Wieder zugelassen wurde (in Deutschland) der Bodenverbesser Bentonit. Weiterhin absolut tabu im Bio-Pflanzenbau: chemisch-synthetisches Pestizide wie Glyphosat. Und zwar auf 100 % aller Öko-Flächen.

Nur so viele Tiere auf der Fläche wie Boden, Wasser und Klima aushalten

Im Bereich Tierhaltung bleibt der Grundsatz der Flächenbindung erhalten – ein echtes Alleinstellungsmerkmal von Bio. Das bedeutet, dass die Bio-Bauern und -Bäuerinnen nur eine begrenzte Anzahl von Rindern, Schweinen oder Hühnern halten dürfen. Nur so viele, wie etwa der Boden vertragen kann. In den Fütterungs-Vorschriften wird die Öko-Verordnung strenger und erhöht die Anteile an betriebseigenem bzw. Futter aus der Region: bei Pflanzenfressern von 60 auf 70 % ab dem Jahr 2024. Bei Schweinen und Geflügel von 20 auf 30 % ab 2022. Es bleibt, trotz zwischenzeitlicher Diskussionen, erlaubt, Mischfutter mit Anteilen an Umstellungsware als öko-konform zu kennzeichnen.

Viele neue Vorschriften gibt es für die Bio-Geflügelhaltung. Elterntier-, Bruderhahn- und Junghennen-Haltung sind erstmals überhaupt geregelt. Europäisch verankert wurde die Veranda, die bei Verbandshöfen schon lange üblich ist, und ein anrechenbarer Außenbereich im Stall – sowie viele weitere Regeln, u.a. zu Stallabteilen, Klappen, Abtrennungen, Volieren, Mobilställen und zu den Ausläufen. Und: Erstmals gibt es im Bio-Recht auch Vorschriften für Hirsche und Kaninchen.

Bio-Lebensmittelherstellung: Weniger bleibt mehr

Bei der Öko-Herstellung setzt das Bio-Recht den Rahmen noch stärker auf ökologisch und wenig verarbeitet: Ab sofort gilt ein Nano-Verbot in Bio-Lebensmitteln. Ionenaustauscher und Absorberharze dürfen nur noch eingeschränkt verwendet werden – auch in diesem Bereich gelten damit erstmals EU-einheitliche Regeln.

Weitreichend ist die Begrenzung konventioneller Aromen auf natürliche Aromaextrakte und natürliche Aromen aus dem namensgebenden Rohstoff. Ein natürliches Orangenaroma für Bio-Produkte muss also aus Orangen hergestellt sein. Gänzlich neu sind Vorgaben für die Herstellung von Öko-Aromen. Kleinere Anpassungen gibt es bei Zusatz- und Hilfsstoffen sowie Weinbehandlungsmitteln, die z.B. den Einsatz ökologischer Hefen fordern. Die Liste der zugelassenen konventionellen Zutaten in Bio-Lebensmitteln ist ab 2024 deutlich kürzer – mengenmäßig sind weiter maximal 5 % in Bio-Lebensmitteln zugelassen.

Auch im Handel gibt es Änderungen. Läden, die nur mit vorverpackten Bio-Waren handeln wie z.B. Kioske, sind weiterhin von der Zertifizierung befreit. Für Läden, die auch mit unverpackten Bio-Lebensmitteln handeln, gelten künftig Obergrenzen: Ab jährlich 5.000 kg oder 20.000 € Umsatz mit unverpackten Bio-Lebensmitteln ist der Handel kontrollpflichtig.

Öko-Kontrolle: streng, risikoorientiert und mindestens einmal pro Jahr

Die Bio-Kontrolle wird auch künftig mindestens einmal jährlich stattfinden, wird aber risikoorientierter gestaltet. Betriebe mit erhöhten Risiken müssen weiterhin mit einer höheren Zahl an zusätzlichen und unangekündigten Kontrollen vor Ort rechnen. Betriebe, die als risikoarm gelten, können in jedem zweiten Jahr aus der Ferne überprüft werden.

Bio-Importe: Gleiche Regeln für alle

Bei den Importregeln gibt es mit der neuen Öko-Verordnung einen Paradigmenwechsel: Galt bisher das Prinzip der Gleichwertigkeit, soll ab 2025 Konformität herrschen. Das heißt, dass in allen Drittländern, die nicht auf der Liste anerkannter Drittstaaten stehen oder ein Handelsabkommen mit der EU haben, die Bio-Regeln eins zu eins angewendet werden müssen – von Nordasien bis Feuerland. Das wird Länder mit ganz anderen klimatischen und sonstigen Bedingungen definitiv herausfordern. Bis 2025 werden von der EU-Kommission Kontrollstellen zugelassen, die die Umsetzung der Konformität in diesen Ländern überprüfen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, dass Drittländer mit der EU ein gegenseitiges Handelsabkommen abschließen – dafür müssen sie einen gleichwertigen Öko-Standard und ein gleichwertiges Kontrollsystem nachweisen. Die bestehenden Gleichwertigkeitsabkommen müssen bis 2027 in gegenseitige Handelsabkommen überführt werden.

Umgang mit Spuren verbotener Stoffe: weitere Klärung notwendig

Zwar konnten viele kritische Punkte mit viel gemeinsamer Anstrengung bereits ausgeräumt werden, ein paar finden sich aber noch im neuen Bio-Recht. Weiterer Klärung mit den Bundesländern bedarf es etwa, wie mit Spurennachweisen von nicht zugelassenen Stoffen in Bio-Produkten umgegangen werden soll. Diese können ein Indiz für einen Verstoß sein, weit häufiger aber auf die konventionelle Landwirtschaft oder andere Umweltbelastungen zurückgeführt werden. Beides muss klar voneinander unterschieden werden und nur bei Verdacht auf einen Verstoß sollte weiter untersucht werden. Neu: Betriebe sind sowohl berechtigt als auch verpflichtet, die erste Prüfung durchzuführen – und können entscheiden, ob der Fund tatsächlich einen Verdacht anzeigt. Zieht jeder Minimalbefund umfangreiche Untersuchungen und Warensperrungen nach sich, auch wenn es nicht um einen Verstoß geht, blockiert das die Produkte. Auch muss dafür gesorgt werden, dass die amtlichen Untersuchungen mit vertretbarem Aufwand und so schnell wie möglich durchgeführt werden und dann abgeschlossen werden, wenn sich der Verdacht auch einen Verstoß nicht bestätigt.  

Bio-Recht markiert höchsten Nachhaltigkeitsstandard der Lebensmittelwirtschaft

Auch die neue Öko-Verordnung muss vom Gesetzgeber als lebendiges Recht verstanden werden, das an neue Anforderungen und Innovationen angepasst werden muss. Hier kommt es vor allem auch darauf an, dass die Regierenden Öko auch unterstützen, wenn es um die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für Bio und das Zusammenspiel mit dem Fachrecht geht. Für 30 % Bio in Deutschland bis 2030 und 25 % Bio in Europa bis 2030 braucht es innovationsfreundliche, verlässliche und praxistaugliche Rahmenbedingungen. Denn das neue Bio-Recht ebnet den Weg zu nachhaltiger Land- und Ernährungswirtschaft. Die strengen Regeln sorgen für ein System, das Umwelt-, Klima- und Tierschutz ganz praktisch auf die Äcker, in die Lebensmittelproduktion und den Handel bringt.


Ihr Kontakt zum BÖLW

Tanja Barbian
Referentin Recht

 +49 15165498579
barbian[at]boelw.de

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