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Worauf müssen Bio-Unternehmen im Umgang mit Verstößen und Kontaminationen künftig achten?

Information mit dem Fokus Verarbeitung zu den Regeln der neuen Öko-Verordnung (EU) Nr. 2018/848

Berlin, 22.07.2019. Am 1. Januar 2021 tritt ein neues Bio-Recht in Kraft. Mit der neuen Verordnung(EU) Nr. 2018/848 werden sich unter anderem die Vorgaben ändern, wie mit Abweichungen, insbesondere Kontaminationen, umgegangen werden muss. Die hier vorliegende Beschreibung soll dazu dienen, Bio-Unternehmen eine erste Einschätzung dazu zu geben, wie die rechtlichen Vorgaben umgesetzt werden müssen. Diese Auslegung bezieht sich nur auf die seit 2018 vorliegende Basisverordnung – da die Rechtsakte, die die Basisverordnung konkretisieren, derzeit noch in Verhandlung sind und u.a. auch über Methoden zur Untersuchung und Bewertung von nicht zugelassenen Stoffen noch diskutiert wird, wird erst mit diesen Ergänzungen Klarheit über die Regeln entstehen.

1. Auch das neue Bio-Recht ist prozessorientiert

Wichtig ist: Die neue Öko-Verordnung schreibt, wie bisher, einen modernen, prozessorientierten Ansatz fest. Entlang der gesamten Prozesskette sind vom Acker bis zur Theke Vorgaben definiert, die von den Bio-Akteuren über die Kette eingehalten werden müssen und entsprechend kontrolliert werden.

Das neue Bio-Recht legt besondere Aufmerksamkeit auf den Fall von Kontaminationen durch alle Arten von Stoffen und Produkten, die in der Öko-Verordnung betrachtet werden, aber nicht zugelassen sind. Trotz dieses Fokus‘ sind keine Grenz- oder Orientierungswerte festgeschrieben, die automatische Rechtsfolgen wie z.B. Untersuchungen oder gar eine Aberkennung des Bio-Status‘ bedeuten.

All jenen Mitgliedsstaaten, die solche Werte bereits eingeführt hatten, erlaubt die EU, sich bis 2024 darauf zu stützen. Dadurch gibt es – wie bereits in der Vergangenheit – auch in Zukunft einzelne Länder, wie beispielsweise Italien, die mit solchen Werten arbeiten. Damit das EU-Bio-Recht künftig in diesem Bereich harmonisiert gestaltet wird, kommen die Vorschriften zu Kontaminationen 2024 erneut auf den Prüfstand.

2. Der Verdacht auf einen Verstoß und der Sonderfall Kontaminationen

Für den Fall eines Verdachts auf einen Verstoß definiert die neue Verordnung konkreter als bisher, wie sich Bio-Unternehmen verhalten müssen (Art. 27 - 29 und Art. 41 - 42 VO (EU) Nr. 2018/848) – auch Bio-Landwirte, Kontrollstellen und Kontrollbehörden sind betroffen. Dabei geht es um alle Arten möglicher Verstöße gegen die Bestimmungen der EU-Öko-Verordnung: zu wenig Auslauf für Tiere, der Einsatz von konventionellem Saatgut ohne Ausnahmegenehmigung, keine ausreichende Trennung von erlaubten und nicht erlaubten Betriebsmitteln, der Einsatz nicht erlaubter Zutaten, fehlende Unterschriften oder falsch ausgefüllte Lieferscheine, unzureichende Dokumentation der betriebseigenen Abläufe usw.

Verdachtsfälle, die speziell durch nicht zugelassene Stoffe (Kontaminationen) ausgelöst werden, werden im neuen Recht gesondert betrachtet (Art. 28 - 29). Kontaminationen im Sinne dieser Artikel können nur aus Stoffen stammen, die im Regelungsbereich der Bio-Verordnung liegen und für die Bio-Produktion zugelassen werden müssen. Damit geht es im landwirtschaftlichen Bereich z.B. um Nachweise von nicht zugelassenen Düngern, Pflanzenschutzmitteln, Futtermitteln und Futtermittelzusatzstoffen sowie Reinigungs- und Desinfektionsmitteln oder anderen Betriebsmitteln wie etwa Saatgut. In der Verarbeitung spielen Kontaminationen durch Lebensmittelzusatz- und -hilfsstoffe, Supplemente oder konventionelle Lebensmittelzutaten eine Rolle.

Nicht gemeint sind in Artikel 28 und 29 Kontaminanten, die nicht im Regelungsbereich des Bio-Rechts liegen, wie beispielsweise aus Anstrichfarben für Gebäude und Maschinen, von Oberflächen, mit denen Lebensmitteln in Berührung kommen, Treibstoffen für den Traktor oder Stoffe aus Verpackungen (wie z.B. MOSH). Ebenfalls ausgeschlossen sind Umweltkontaminanten bzw. allgegenwärtig vorkommende Stoffe wie z.B. Schwermetalle oder Dioxin. Für diese Fälle gelten – wie für alle Lebensmittel – die allgemeinen gesetzlichen Grenzwerte und Auflagen.

3. Im Fokus: Die Integrität entlang der Produktkette

Als Verstoß ist in der neuen Öko-Verordnung jede Art von Abweichung von den Bestimmungen definiert – vom kleinen Formfehler bis hin zu Betrug, etwa durch das Umdeklarieren konventionell produzierter in Bio-Ware. Im neuen Bio-Recht wird deshalb der Begriff der Integrität des Produktes oder Prozesses eingeführt, um zwischen geringfügigen Abweichungen und relevanten Verstößen zu unterscheiden. Die Integrität ist dann beeinträchtigt, wenn ein Verstoß gegen die Vorgaben der Verordnung entlang der Prozesskette stattfindet, der den Bio-Status der Ware in Frage stellt oder wiederholt und beabsichtigt ist. Vereinfacht gesagt: nur relevante Verstöße gegen die Vorschriften der Verordnung, Wiederholung (keine Besserung trotz Hinweis/Abmahnung) oder Absicht (Betrug) stellen die Integrität des Bio-Produktes infrage. Kleine, unbeabsichtigte Verstöße oder Formfehler werden selbstverständlich auch mit Hinweisen oder Auflagen geahndet, führen jedoch nicht zur Aberkennung des Bio-Status‘ oder zur Dezertifizierung. Für den Sonderfall von Kontaminationen heißt das: Falls Kontaminationen auftreten, muss geprüft werden, ob diese einen Verdacht auf einen Verstoß gegen die Prozessvorschriften begründen (z.B. wenn ein unerlaubtes Produkt verwendet wurde) und an irgendeiner Stelle der Produktion entlang der Kette (und nicht im Endprodukt) die Integrität in Frage gestellt ist.

4. Pflichten von Bio-Unternehmern bei Hinweisen auf Verstöße

Hat ein Unternehmen den Verdacht, dass beispielsweise ein zugekauftes Tier zu wenig Auslauf hatte, oder bekommt ein Unternehmen z.B. durch eine Laboranalyse Hinweise auf nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe in einer Bio-Ware oder in der Bio-Produktion, so muss es diesen Verdacht überprüfen. Der Betrieb bzw. das Unternehmen hat das Recht und die Pflicht, eine erste Prüfung und Bewertung des Hinweises vorzunehmen. Die Abfolge dafür ist festgelegt (Art. 27 und 28.2). Das Bio-Unternehmen muss die betroffene Ware identifizieren und sperren, solange es überprüft, ob der Verdacht auf einen Verstoß gegen die Integrität des Produkts oder Prozesses sich bestätigt oder ausgeräumt werden kann.

Das bedeutet, beispielsweise zu klären, ob der Befund oder Hinweis überhaupt relevant für die Bio-Verordnung ist. Das wäre bei einem nicht erlaubten Futtermittelzusatzstoff der Fall, jedoch nicht bei einem nicht mehr zugelassenen und nicht mehr auf den Betrieben vorhandenen Pflanzenschutzmittel wie DDT, bei dem eine Anwendung ausgeschlossen ist. Der Betrieb bzw. das Unternehmen muss prüfen, ob Probenahme und Befund belastbar sind oder es sich z.B. um einen falsch-positiven Befund handelt.

Wenn sich der Befund bestätigt, muss weiter geklärt werden, ob die Höhe des Befundes oder andere Kriterien (siehe Kap. 5.1) Anlass dazu geben, von einer Anwendung eines nicht zugelassenen Stoffes oder Erzeugnisses oder von nicht getroffenen Vorsorgemaßnahmen auszugehen (Art. 29.2). Eine dritte Möglichkeit ist, dass der Unternehmer Maßnahmen nach behördlicher Aufforderung nicht umgesetzt hat. Denn nur in diesen Fällen wäre beim Auftreten von Kontaminationen die Integrität des Produktes oder Prozesses verletzt worden.

Auf nicht getroffene Vorsorgemaßnahmen könnten z.B. unüblich hohe Kontaminationen mit Lagerschutzmitteln hindeuten, die durch unzureichende Reinigung von Transportbändern nach dem Transport konventioneller Ware verursacht wurden. Hierzu können z.B. betriebsinterne oder anderweitig verfügbare Daten helfen, Erfahrungen aus vergleichbaren Fällen oder Rücksprache mit Lieferanten oder Experten hilfreich sein. Wichtig ist, dass alle Vorsorgemaßnahmen, die an solchen kritischen Punkten getroffen werden, um Kontaminationen zu vermeiden, im Rahmen der jährlichen Kontrolle mit der Kontrollstelle abgesprochen werden.

Bestätigt sich der Verdacht nicht oder kann ausgeräumt werden, wird der Fall dokumentiert und die Ware kann weiter verwendet, verarbeitet oder gehandelt werden.

Kann der Verdacht nicht ausgeräumt werden oder bestätigt sich und das Ergebnis der Nachforschungen weist auf eine Verletzung der Bio-Integrität der Ware oder ihres Herstellungsprozesses hin – weil z.B. ein nicht zugelassenes Mittel eingesetzt wurde oder sich der Hinweis nicht konforme Tierhaltungspraxis bestätigt – muss dieser Verdacht sofort an die Kontrollstelle bzw. Kontrollbehörde gemeldet werden. Diese untersuchen den Verdacht weiter. Währenddessen bleibt die Ware gesperrt.

Beim Vorhandensein nicht zugelassener Stoffe oder Erzeugnisse liegt also erst dann ein Verdacht auf einen relevanten Verstoß vor, wenn die Befunde auf eine nicht erlaubte Anwendung (z.B. konventionelles Futtermittel) oder mangelnde Vorsorge (z.B. nicht ausreichende Trennung von konventionellen und ökologischen Futtermitteln in einem Betrieb) hindeuten und damit die Bio-Integrität des Erzeugnisses oder des Produktionsprozesses in Frage stellen. In allen anderen Fällen ist von unvermeidbaren Kontaminationen auszugehen, die den Bio-Status nicht gefährden.

5. Vorsorgemaßnahmen

5.1 Systematische Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationsrisiken

Die neue Verordnung verlangt von allen Unternehmen Vorsorgemaßnahmen zur Identifizierung und Vermeidung von Risiken in Bezug auf Kontamination durch nicht zugelassene Stoffe und Erzeugnisse (Art. 28.1). Diese etwas theoretisch wirkende Vorgabe beruht auf derselben Systematik wie die HACCP-Vorgaben aus dem Hygienerecht, die von allen Lebensmittelbetrieben seit vielen Jahren umgesetzt werden müssen. In der Öko-Verordnung bezieht sich das Risiko jedoch nicht auf Gesundheitsgefährdungen, sondern auf Gefährdungen der Integrität des Erzeugnisses oder Prozesses und somit des Bio Status‘ der Ware.

Bio-Unternehmen und künftig auch landwirtschaftende Bio-Betriebe müssen ein Risikominimierungs-Konzept zur Vermeidung von Kontaminationsrisiken erstellen und umsetzen.

Durch die Art der im Gesetz angesprochenen Stoffe und Produkte wird klar, dass es dem Gesetzgeber darum geht, dass die Unternehmen ihre Betriebsabläufe beherrschen. So muss der Betrieb beispielsweise sicherstellen, dass der Mähdrescher des Lohnunternehmers, der vom konventionellen Feld kommt, gereinigt ist. Oder dass im parallel konventionell und ökologisch produzierenden Milchviehbetrieb die Trennung zwischen dem jeweiligen Futter gewährleistet ist.

Ein solches Konzept beinhaltet eine Reihe von definierten Schritten: Die Unternehmen müssen sogenannte kritische Kontrollpunkte (Bio-Kontroll-Punkte, BKP) mit einem erhöhten Kontaminationsrisiko durch nicht zugelassene Erzeugnisse und Stoffe identifizieren. Die Unternehmen haben die Pflicht, diese kritischen Punkte zu kontrollieren und Maßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationen festlegen. Diese Maßnahmen müssen regelmäßig überprüft und bei Bedarf zu aktualisiert werden. Ebenso verpflichtend: Vorsorgemaßnahmen systematisch beschreiben, dokumentieren und bei der Kontrolle zur Überprüfung vorlegen. Dass das bestehende Risikominimierungs-Konzept (BKP-Konzept) des Unternehmens angemessene und verhältnismäßige Vorsorgemaßnahmen gewährleistet, wird somit bereits von der Bio-Kontrolle bestätigt.

Für landwirtschaftliche Betriebe, aber auch für Rohstoffhändler und Importeure stellt die systematische Vorgehensweise zur Vermeidung von Kontaminationsrisiken eine erweiterte Anforderung dar. Hersteller von Lebens- und Futtermitteln kennen dieses systematische Vorgehen bereits aus der bestehenden Öko-Verordnung.

5.2 Angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen im eigenen Verantwortungsbereich

Es ist in der Öko-Verordnung festgelegt, dass die Vorsorgemaßnahmen verhältnismäßig und angemessen sein müssen und sich nur auf den Verantwortungsbereich des Unternehmens beziehen. Die Maßnahmen betreffen nur Stoffe und Erzeugnisse im Regelungsbereich der Bio-Verordnung (Art. 28.1 in Verbindung mit Art. 9.3, Erwägungsgrund 68). Es geht also darum, Kontaminationsrisiken zu minimieren, die etwa von nicht zugelassenen Düngemitteln, Bodenverbesserern, Futtermitteln, -zusatzstoffen, Pflanzenschutzmitteln, Mitteln zur Reinigung und Desinfektion sowie Zusatz- und technischen Hilfsstoffen für die Verarbeitung oder erlaubten konventionellen Zutaten kommen können.

Durch diese Formulierung werden die Vorsorgepflichten von Betrieben und Unternehmen begrenzt: Denn dass die Vorsorgemaßnahmen ‚angemessen‘ und ‚verhältnismäßig‘ sein müssen, ist eine Präzisierung gegenüber der jetzigen Regelung. Diese besagt, dass alle Bio-Unternehmen und -Betriebe ‚Vorkehrungen zur Minimierung des Risikos einer Kontamination durch unzulässige Erzeugnisse oder Stoffe‘ (Art. 63 VO 889/2008) treffen müssen. Die Beschränkung auf Maßnahmen im eigenen Einflussbereich bedeutet, dass die Maßnahmen nur den eigenen Betrieb bzw. Unternehmen betreffen bzw. Bereiche mit Weisungsrechten (gegenüber Arbeitnehmern, Dienstleistern oder Subunternehmern). Sie beziehen sich ausdrücklich nicht auf das, was der Nachbarbetrieb oder der Vorlieferant tut.

Besonders wichtig sind die Vorsorgemaßnahmen in Bereichen, wo relevante Kontaminations- und Verschleppungsrisiken bestehen, die die Integrität der Bio-Produkte gefährden. Dies ist besonders dort der Fall, wo parallel ökologisch und konventionell gearbeitet oder eng mit konventionellen Strukturen kooperiert wird. An den Schnittstellen zur konventionellen Produktion ist das Risiko für Vermischungen und für Kontaminationen mit unzulässigen Stoffen am größten. Da landwirtschaftliche Gemischtbetriebe und Unternehmen mit Bio- und konventioneller Verarbeitung in der EU die Regel sind, sind Vorsorgemaßnahmen in diesen besonders wichtig.

Die Vorsorgemaßnahmen müssen zu jedem Zeitpunkt eine sichere Trennung und Handhabung von konventionellen Betriebsmitteln, Futtermitteln, Rohstoffen, Zutaten, sowie Maschinen in Lager- und Betriebsstätten bei paralleler Produktion von konventionellen und biologischen Erzeugnissen in einem Betrieb gewährleisten. Werden z.B. Maschinenringe oder Transportunternehmen genutzt, die auch von konventionellen Betrieben und Unternehmen in Anspruch genommen werden, muss gewährleistet sein, dass z.B. notwendige Reinigungsmaßnahmen zur Kontaminationsvermeidung mit konventionellem Erntegut ergriffen werden.

Die Anforderungen des Rechts beziehen sich ausschließlich auf die Bereiche, die dem Einfluss des Landwirts bzw. Unternehmers unterliegen. Dementsprechend wird von Bio-Unternehmen künftig auch nicht verlangt werden, dass sie die Vorsorgemaßnahmen ihrer Lieferanten überprüfen und dokumentieren. Bio-Landwirte sind somit auch künftig nicht verpflichtet, mit ihren konventionellen Nachbarn zu vereinbaren, wie diese ihre Flächen bewirtschaften. Die neue Verordnung sieht keinen Eingriff in die Eigentumsrechte Dritter vor. Selbstverständlich ist der Nachbar zur Einhaltung des geltenden Rechtes und der guten landwirtschaftlichen Praxis verpflichtet. Verursacht er Schäden beim Bio-Nachbarn, indem er z.B. eine Kontamination verursacht, die zur Aberkennung beim Bio-Betrieb führt, kann er in Haftung genommen werden, was im Einzelfall geprüft wird.

Da das Öko-Recht die Vorsorge auf verhältnismäßige und angemessene Maßnahmen beschränkt, können vom Bio-Landwirt auch keine Heckenpflanzungen oder Abstandsstreifen verlangt werden. Die umfassendere – da nicht auf angemessen und verhältnismäßig beschränkte – Regelung des bestehenden Öko-Rechts (Art. 63 der VO (EU) Nr. 889/2008) forderte solche Maßnahmen nicht.

Hinweis: Wie die Vorsorgemaßnahmen konkret in der Erzeugung, Verarbeitung und im Handel umgesetzt werden können, sollte im Rahmen von Leitfäden genauer beschrieben werden, um eine einheitliche Umsetzung für Betriebe und Unternehmen sowie Kontrollstellen und Kontrollbehörden zu erleichtern.

5.3 Vorsorgemaßnahmen durch die Zertifizierung bestätigt

Die Vorsorgemaßnahmen sind, wie alle anderen Prozessvorgaben des Bio-Rechtes, Bestandteil der Zertifizierung. Ihre Umsetzung wird künftig Teil der Bio-Kontrolle (Art. 38.1 a)). Mit dem Zertifikat erhalten die Betriebe und Unternehmen die Bestätigung, dass sie die Vorsorgemaßnahmen angemessen und verhältnismäßig umgesetzt haben und in der Lage sind, diese sachgerecht anzuwenden und fortzuschreiben. Auf diese Bestätigung können sich sowohl die Unternehmen selbst als auch die Abnehmer verlassen. Die abnehmenden Unternehmen müssen also nicht die Vorsorgemaßnahmen ihrer Lieferanten gesondert erfassen.

6. Amtliche Untersuchung

6.1 Amtliche Untersuchung nur bei Verdacht auf relevante Verstöße

Wird eine Kontamination festgestellt, z.B. bei einer Beprobung durch die Kontrollstelle oder Behörde, muss nur dann eine unverzügliche amtliche Untersuchung des Falles sowie eine Warensperrung stattfinden, wenn die Information fundiert ist (Art. 29.1). Fundierte Information bedeutet, dass der Befund den Verdacht auf einen Verstoß gegen die Verordnung nahelegt, der die Bio-Integrität des Produktes oder des Prozesses in Frage stellt. In Frage gestellt ist die Integrität im Falle von Kontaminationen nur dann, wenn es eine Verwendung eines nicht zugelassenen Stoffes oder Erzeugnisses gab, die Vorsorgemaßnahmen nicht getroffen oder behördliche Anordnungen nicht umgesetzt wurden (Art. 29.2). Die fundierte Information kann aus eigenen Untersuchungen von Kontrollstellen oder Behörden oder von einem Betrieb oder Unternehmen stammen, das nach seiner ersten Prüfung einen nicht ausräumbaren Verdacht gemeldet hat.

Wird beispielsweise Arsen in Reis festgestellt, so ist das kein Hinweis auf eine unzulässige Anwendung, sondern auf eine vorhandene Bodenbelastung. Hat der Betrieb systematische Vorsorgemaßnahmen ergriffen, ist ein solcher Befund als unvermeidbare Belastung einzustufen – es greifen die normalen Gesundheitsgrenzwerte, die für alle Lebensmittel gelten.

Es entspricht der Intention der neuen Öko-Verordnung und einem risikoorientierten Vorgehen, dass auch Kontrollstellen und Behörden zu einer ersten Prüfung von Verdachtsfällen verpflichtet sind und nicht jede Kontamination als Auslöser für eine amtliche Untersuchung und eine Warensperrung angesehen wird. Die erste Prüfung kann beispielsweise einschließen: Die Höhe des Befundes, ob z.B. ein nachgewiesenes Pestizid auf einem Bio-Produkt im Anbau überhaupt einen Vorteil gebracht hätte, ob es eine bekannte Altlast-Thematik ist, ob es Erfahrungen gibt, dass vergleichbare Nachweise üblicherweise auf andere Ursachen als Verstöße gegen die Öko-Verordnung zurückzuführen sind. Bei getrockneten Produkten ist zudem mit einem Trocknungsfaktor die Aufkonzentrierung zu berücksichtigen. Angesichts der ubiquitären Belastungen würde der Verzicht auf eine solche Überprüfung das Funktionieren der Bio-Kontrolle in Frage stellen sowie gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

6.2 Unverzügliche amtliche Untersuchung und vorläufige Warensperrung

Wenn eine amtliche Untersuchung erforderlich ist (also in allen begründeten oder nicht ausräumbaren Verdachtsfällen ausgelöst durch Kontaminationen), muss unverzüglich eine Untersuchung zu den Ursachen für das Vorhandensein nicht zugelassener Stoffe erfolgen. ‚Unverzüglich‘ bedeutet dabei ohne unnötige Verzögerung. Wiederum geht es nur um Stoffe, die im Regelungsbereich der Öko-Verordnung liegen (Art. 29.1 a)). Untersucht wird dabei, ob nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe angewendet, keine Vorsorgemaßnahmen getroffen wurden oder ein Verstoß gegen behördliche Anweisungen vorliegt (Art 29.2). Dabei können alle geeigneten Untersuchungsmethoden und sachdienlichen Informationen herangezogen werden, die helfen, den Verdacht auszuräumen oder zu bestätigen. Die Untersuchung kann auch vom Schreibtisch aus ohne eine Überprüfung vor Ort erfolgen.

Neu eingeführt wurde, dass die Untersuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Art des Verdachtes stehen und so rasch wie möglich innerhalb eines angemessenen Zeitraums durchgeführt werden muss (Art. 29 (1) a) und Erwägungsgrund 69). Dabei muss die Haltbarkeit des Produktes berücksichtigt werden und kann die Dauer der Untersuchung begrenzen. Das Ziel dieser neuen Regelung ist deutlich: Die amtliche Untersuchung soll beschleunigt werden, da die Ware während der Untersuchung gesperrt ist. Bei verderblichen Produkten wie z.B. bei Obst und Gemüse müssen die eingesetzten Untersuchungsmethoden an die begrenzte Haltbarkeit angepasst werden und verhältnismäßig sein. So dürfen z.B. bei Früchten Zusatzinspektionen in einem anderen europäischen Herkunftsland nur mit Verweis auf die Dringlichkeit angeordnet werden. Sind absehbar keine zusätzlichen Erkenntnisse vor Ende der Haltbarkeit zu erlangen, muss vor Ablauf der Haltbarkeit auf der Grundlage des vorhandenen Wissensstandes über die Freigabe entschieden werden.

Während der amtlichen Untersuchung bleibt die Ware vorläufig gesperrt, bis der Verdacht geklärt ist. Dies gilt wiederum nur im Falle eines Verdachts auf Verstoß gegen die Integrität des Produkts oder Prozesses. Die befristete Sperrung der Ware durch die Behörde oder Kontrollstelle dauert maximal so lange, bis die Untersuchung abgeschlossen ist und  Untersuchungsergebnisse vorliegen (Art. 41(1) b)). Führt die Untersuchung innerhalb eines angemessenen Zeitraums (Artikel 29 (1) a))nicht zum Nachweis eines Verstoßes mit der Folge einer Aberkennung der Ware oder des Prozesses (Art. 29.2), kann die Ware weiter als Bio-Ware verwendet und vermarktet werden. Es gilt: ‚in dubio pro reo‘.


Ihr Kontakt zum BÖLW

Tanja Barbian
Referentin Recht

 +49 15165498579
barbian[at]boelw.de

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