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Corona lässt noch mehr Menschen zu Bio greifen

Perspektiven: Corona Spezial

Berlin, 17.02.2021. 2020 war durch die COVID-19-Pandemie ein besonderes Jahr – auch für die Bio-Bauern, -Lebensmittelherstellerinnen und den -handel. So stellte und stellt die Corona-Krise den ganzen Sektor vor bisher nicht gekannte logistische und hygienische Herausforderungen, verschob Produktions- und Warenströme und kurbelte die Verkäufe im Handel und die Produktion zum Teil erheblich an – überdurchschnittlich stark griffen die Menschen zu Bio-Produkten.

Während Corona bot der Lebensmittelhandel meist die einzige Möglichkeit, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, etwa, weil Restaurants oder die Gemeinschaftsgastronomie teilweise geschlossen blieben. Seit Beginn des Lockdowns im März und bis November 2020 sorgten Kundinnen und Kunden für rund 24 % mehr Umsatz bei Bio-Frischeprodukten, wie Öko-Marktexperten ermittelten. Insgesamt ließen die Menschen für Lebensmittel etwa 13 % mehr Geld an den Kassen des Einzelhandels. Vorgegebene oder selbst gewählte Kontaktbeschränkungen ließen die Kundinnen möglichst viele Einkäufe in einem Geschäft erledigen, wovon besonders die Vollsortimenter profitierten. Der Verkauf dieser Mehrmengen war für Lebensmittelhändler, -herstellerinnen und -logistiker eine Meisterleistung, insbesondere zu Beginn der Einschränkungen. In den meisten Fällen mangelte es den Unternehmen nicht an den Rohstoffen, auch nicht im Bio-Sektor. Vielmehr fehlte es an Verpackungsmaterialien und Logistik. Im Laufe des Jahres verschärfte sich die Situation durch strengere Hygienemaßnahmen – all das führte dazu, dass die Produktion durch den höheren Aufwand auch teurer wurde.

Warum wuchs nun der Bio-Sektor noch stärker als der gesamte Lebensmittelmarkt? Eine Begründung liegt in der Marktstruktur: Entfielen 2019 rund 27 % des gesamten Lebensmittel-Spezialmarkts auf den Außer-Haus-Verzehr, waren es am Bio-Markt nur rund 11 %. Das bedeutet, den Bio-Umsatz-Anteil von 27 %, zu dem die Menschen außer-Haus, also beispielweise in Restaurants oder Kantinen aßen, investierten die Haushalte 2020 in den Verzehr daheim; und griffen  häufiger zu Bio-Produkten. Die Pandemie steigerte auch den Wunsch nach gesunder Ernährung und Nachhaltigkeit noch einmal. Schon in den vergangenen Jahren war dieser durch wachsende Transformations-Bewegungen wie Fridays for Future spürbar geworden. Bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts AMM gaben 30 % an, mehr Bio während der Corona-Krise zu kaufen. Als Grund dafür gaben die Kundinnen und Kunden die Vorzüge von Öko an: hochwertig, umweltfreundlich und gesund. Außerdem gaben die Befragten an, stärker regionale Bäuerinnen und Betriebe unterstützen zu wollen. Auch mehr Geld im Portemonnaie, etwa aufgrund von Einsparungen durch weniger Restaurantbesuche, war ein Grund für mehr Bio-Käufe. Nur knapp 4 % der Befragten griffen laut eigener Aussage weniger zu Öko – und das auch eher unfreiwillig, etwa, weil weniger Geschäfte aufgesucht wurden oder weniger Geld zur Verfügung stand. 

Die Vollsortimenter passten sich an das stärkere Öko-Einkaufsverhalten an und erweiterten ihre Bio-Sortimente. Der Bio-Umsatz der Discounter wuchs mit 22 % deutlich, aber nicht ganz so stark wie in den vergangenen Jahren. Das größte Plus verzeichneten allerdings die Online-Händler, die den Umsatz mit Bio-Frischeprodukten veranderthalbfachten. Auch Teil des boomenden Online-Handels: Öko-Abokisten, deren Absatz mit Riesenschritten wuchs. Die Bio-Kisten verzeichneten bereits zu Beginn der Pandemie einen so hohen Anfrageschub, dass sie bald kaum noch neue Kundinnen und Kunden aufnehmen konnten und auch aktuell am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen arbeiten.

Da Bio-Lebensmittel von Kunden und Kundinnen zu Recht mit den Qualitäten Tierwohl, Gesundheit oder Nachhaltigkeit verbunden werden, dürfte den Menschen das Thema Öko auch trotz und gerade wegen Corona anhaltend wichtig sein. Das weitere Kaufverhalten – nach der Krise – wird aber neben diesen Nachhaltigkeitsthemen auch immer von der Kaufkraft und der jeweiligen Priorität der Haushalte abhängen. Ausschlaggebend wird auch sein, ob die Preise für Lebensmittel künftig stärker die Wahrheit sprechen werden oder es weiterhin zu Marktverzerrungen kommen wird, weil sich externe Kosten nicht im Ladenpreis widerspiegeln. Corona zeigte auch, wie bedeutend ein resilientes System und regionale, stabile und nachvollziehbare Lieferketten sind. Auch kurze Wege für sensible Güter sind weit wichtiger als gedacht. Eine Abhängigkeit von internationalen Warenströmen kann schnell kritisch werden, besonders im Lebensmittelsektor. Futtermittel für deutsche Schweine in Südamerika anzubauen oder Rindfleisch um die halbe Welt zu schiffen, wird weder mit Blick auf die Klimakrise noch im Pandemie-Fall eine Lösung für eine resiliente Ernährung der Menschen vor Ort sein.

Autorin: Diana Schaack, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)


[1] AMI-Analyse des GfK-Haushaltspanels

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