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Höchste Zeit für Bio!

Es ist unübersichtlich geworden in der Agrar- und Ernährungspolitik: Die gemeinsam von Vertretern der Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft erarbeiteten Pläne zum notwendigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung liegen vor. Sie wurden von der Politik einhellig begrüßt. Doch wenn es um die Umsetzung geht, wirkt die Politik zerstritten und die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft und des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung zeigen kaum Wirkung. Wichtige Reformvorhaben der Ampel-Koalition, die die Anliegen der Kommissionen aufgreifen sollten, stecken fest. Die nationale Pestizidreduktionsstrategie kommt über eine Ankündigung nicht hinaus, der Umbau der Tierhaltung stockt und für die Umsetzung der neuen Bio-Strategie fehlen die Ressourcen. Hinzu kommen überfallartige Kürzungen beim Agrardiesel und der KFZ-Steuer für Schlepper, gefolgt von hektischen Korrekturen. Die Frage bleibt offen: Wie will die Bundesregierung ihre Ziele mit welchen Ressourcen erreichen? Doch eines ist sicher: Die Herausforderungen für unser Ernährungssystem werden ehegrößer als kleiner, sei es durch die Zuspitzung der Klimakrise, den Schwund der Artenvielfalt oder kritische Abhängigkeiten wie bei Mineraldünger, der zunehmend aus Russland importiert wird. So finanziert die deutsche Landwirtschaft indirekt den Krieg gegen die Ukraine mit.

Auch aus Brüssel kommen keine klaren Signale. Die einst vielversprechende „Farm-to-Fork“-Strategie für eine nachhaltige Landwirtschaft existiert zwar auf dem Papier, jedoch wird Politik mit der Genehmigung von Glyphosat für weitere zehn Jahre gemacht. Und es scheint, als wolle man uns heimlich Gentechnik unterjubeln und Wahlfreiheit und Risikoprüfung schleifen. Vorhaben wie die Reduzierung von Pestiziden und Düngemittelmengen sowie die Verringerung des Einsatzes von Antibiotika sind dagegen gescheitert oder wurden nicht angegangen.

Es ist an der Zeit, politische Gräben zu überwinden und entscheidende Schritte für eine positive Zukunft zu setzen. In Zeiten knapper Kassen ist die Investition in langfristig wirkungsvolle, praxisorientierte und gesellschaftlich akzeptierte Konzepte von höchster Bedeutung. Sie sichern unsere Marktfähigkeit und setzen Steuergelder effektiv ein. Die Bio-Landwirtschaft ist ein Produktionssystem, das allen aktuellen Herausforderungen gerecht wird. Die Bundesregierung bekräftigt mit ihrer Bio-Strategie 2023 das Ziel von 30 Prozent Bio in Deutschland, wodurch zuverlässig Wasser, Boden, Artenvielfalt und Klimaschutz gesichert werden – unter klaren, jährlich streng kontrollierten Regeln und ohne zusätzliche Verwaltungsapparate.

Bio-Unternehmen in Landwirtschaft, Handel und Verarbeitung haben in den letzten Monaten gezeigt, dass sie auch in schwierigen Zeiten einen Beitrag zum Wandel leisten können. Ihre Leistungen werden von den Bürgerinnen und Bürgern geschätzt. Nun muss der Rahmen so gesetzt werden, dass noch mehr Bäuerinnen und Bauern sowie Unternehmen aus Verarbeitung und Handel eine Bio-Chance bekommen. Ihre Arbeit muss besser honoriert werden, um Umweltfolgekosten zu vermeiden, die in Deutschland über 90 Milliarden Euro betragen. Zudem hilft eine bessere Ernährung, Gesundheitsschäden in der Bevölkerung zu verhindern, die uns Jahr für Jahr viele weitere Milliarden Euro kosten.

Bio bietet wesentliche Antworten auf Fragen, die die Regierungsfraktionen im Januar aufgeworfen haben. Allerdings bedarf es ernsthafter Bemühungen seitens der Ampel-Koalition, bürokratische Doppelbelastungen für Bio-Betriebe abzubauen. Bio-Betriebe dürfen nicht zusätzlich zu den Regeln der EU-Öko-Verordnung – dem strengsten Umweltstandard für Lebensmittelproduktion – noch mit Auflagen belastet werden, die wenig Nutzen für die Umwelt bringen, aber viel Bürokratie verursachen.

Denn was die Betriebe – ob ökologisch oder konventionell wirtschaftend – nicht brauchen, ist mehr Bürokratie durch eine Deregulierung der Gentechnik. Die Abgeordneten im Europaparlament müssen verstehen, dass die gerade diskutierten Vorschläge den Betrieben und Unternehmen in Züchtung, Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel mehrheitlich schaden. Ohne Koexistenz-Regelungen und Kennzeichnungspflicht sind keine gentechnikfreien Warenströme möglich. Über 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger fordern eine Risikoprüfung und Kennzeichnung von Gentechnik. Dies sollten Abgeordnete berücksichtigen, anstatt sich von der Gentechnik-Lobby einwickeln zu lassen. Gentechnikfrei produzieren zu können, ist ein großer Wettbewerbsvorteil der europäischen Lebensmittelwirtschaft. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu stärken, sollte die Bundesregierung in die bisher vernachlässigte Öko-Züchtung investieren. Zentral für eine gute Landwirtschaft sind zudem gute Wertschöpfungsketten und -partner. Mehr Vielfalt auf dem Acker und mehr Bio sind nur mit einer vielfältigen Bio-Ernährungswirtschaft möglich. Die neue Bio-Strategie 2030 legt dies nahe, aber bei den diskutierten „Sofortmaßnahmen“ darf die Bundesregierung nicht am Hoftor stehen bleiben. Wer Höfe stärken will, muss auch mittelständische Bäckereien, Fleischereien, Mühlen oder Molkereien in den Blick nehmen. Die Bundesregierung muss aktiv Länder, Kommunen und auch die private Außer-Haus-Verpflegung motivieren, mehr Bio in Kitas, Schulen, Mensen und Kantinen zu bringen. Die Bio-Strategie 2030 präsentiert 30 vielversprechende Maßnahmen, deren erfolgreiche Umsetzung jedoch nur durch ausreichende Haushaltsmittel gewährleistet ist. Der Ampel-Antrag, betitelt mit „Landwirtschaft zukunftsfähig im Dialog gestalten“, ruft nach konkreten Schritten. Die Bio-Höfe und Bio-Unternehmen zeigen Tag für Tag auch in anspruchsvollen Zeiten, dass sie den Umbau gestalten. Sie stehen bereit, sich als Innovations- und Nachhaltigkeitsmotor in diesen Dialog einzubringen – vorausgesetzt, es folgen Taten!

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