Berlin, 02.11.2016. Heute berät das Bundeskabinett den Entwurf für das Gesetz zu Gentechnik-Anbauverboten vom 6. Oktober, den BÖLW, viele andere Verbände und zehn Bundesländer scharf kritisieren. Der Vorsitzende des Bio-Dachverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, kommentiert:
„Gentechnik im Essen ist teuer und riskant. Wir brauchen ein Gesetz, das ohne bürokratische Hürden bundesweite, wirksame Anbauverbote ermöglicht, denn drei Gentechnik-Pflanzen warten auf eine Anbauzulassung.
Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Aussagen im Koalitionsvertrag ernst nimmt, kann sie den Gesetzentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt nicht einfach durchwinken. Ohne deutliche Korrekturen führt dieser Gesetzentwurf direkt zu einem Gentechnik-Flickenteppich unterschiedlicher Länder-Regelungen. Bundesweite, rechtssichere Anbauverbote werden mit Schmidts Entwurf praktisch unmöglich gemacht.
Sollte das Kabinett keine Korrekturen vornehmen, ist der Bundestag ist gefordert. Die Abgeordneten müssen sicherstellen, dass der Anbau von Gentech-Pflanzen bundesweit und rechtsicher ausgeschlossen werden kann.
Über 80 % der Menschen in Deutschland wollen eine gentechnikfreie Landwirtschaft.“
BÖLW-Stellungnahme zum Opt out-Gesetzentwurf
Hintergrund
Welche ökonomischen Schäden Gentechnik in der Landwirtschaft verursacht, lesen Sie im Schadensbericht Gentechnik.
Ob und welche gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa angebaut werden dürfen, entscheidet die Europäische Union in einem umstrittenen Zulassungsverfahren. 2014 einigte man sich darauf, dass einzelne Mitgliedsstaaten über nationale Gentech-Anbauverbote künftig leichter selbst entscheiden dürfen – das sogenannte Opt-out. Dieser Beschluss soll aktuell in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Bundesländer hatten bereits im vergangenen Jahr einen eigenen Gesetzvorschlag eingebracht mit dem Gentechnik-Anbauverbote einheitlich vom Bund ausgesprochen werden könnten. Die Regierungspartei SPD und alle SPD-geführten Landesregierungen hatten sich wiederholt für einheitliche Gentechnik-Anbauverbote für ganz Deutschland ausgesprochen. Bundesumweltministerin Hendricks konnte sich mit Landwirtschaftsminister Schmidt lange nicht auf einen gemeinsamen Entwurf einigen.
Der jetzt vom BMEL vorgelegte Entwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, der das Brüsseler Opt-out in nationales Recht umsetzt, soll heute (2. November) vom Bundeskabinett beschlossen werden.
Die Kritikpunkte am Gesetz-Entwurf auf einen Blick:
- Unnötig hohe Hürden schon für die „Phase I“ der Anbauverbote: Es müssen mehr Voraussetzungen gegeben sein als laut EU-Richtlinie vorgeschrieben sind. So sollen z. B sechs Bundesministerien laut Entwurf jede Opt out-Entscheidung einstimmig beschließen müssen, darunter völlig unverständlicher Weise das BMBF, welches – da es um kommerziellen und nicht den Versuchsanbau von Gentechnik-Pflanzen geht – nicht involviert werden muss.
- Länderregelung unnötig und mit großen Risiken behaftet: Klappt die Einigung der sechs Ressorts nicht, können die Länder Verbote erlassen. Das würde in der Praxis zu einem Flickenteppich von Länder-Verboten führen.
- Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung bei der Verhängung wirksamer Anbauverbote nicht gerecht und schiebt die Verantwortung auf die Länder ab, weil sich der Bund z. B. nicht an der Recherche von Gründen für Anbauverbote beteiligt.
- Aufweichung der Nulltoleranz durch die Hintertür: Obwohl das nichts mit Opt out zu tun hat, will Minister Schmidt dafür sorgen, dass ein nicht für den Anbau in der EU zugelassener gentechnisch veränderter Organismus, der „versehentlich” angebaut wurde, in Lebens- oder Futtermitteln toleriert werden soll. Verunreinigungen mit nicht für den Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen würde damit Tür und Tor geöffnet.