15.01.2013 | „Wir brauchen jetzt eine Ernährungswende!“, fordert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), anlässlich der Eröffnung der weltgrößten Messe für Ernährung und Landwirtschaft „Grüne Woche“ in Berlin. Die gewaltigen Herausforderungen, wie den Klimawandel zu bremsen und die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung zu sichern, verlangen ein radikales Umsteuern in der Ernährungswirtschaft. „Der BÖLW hat fünf maßgebliche Bereiche identifiziert, die jetzt angepackt werden müssen, um Landwirtschaft und Ernährung nachhaltig zu gestalten“, beschreibt BÖLW-Vorstand Jan Plagge das Thesenpapier des Bio-Spitzenverbandes. Für jeden der fünf Bereiche – 1. Recht auf Nahrung, 2. Nachhaltige Ernährung, 3. Artgerechte Tierhaltung, 4. Kreislaufwirtschaft, 5. Öko-soziale Marktwirtschaft – benennt der BÖLW sowohl die Herausforderungen und die Ziele als auch wirkungsvolle politische Maßnahmen. Das Konzept beinhaltet Instrumente für eine Ernährungswirtschaft, die gesunde Lebensmittel für alle produziert und dabei Umwelt und Ressourcen schont. Es nimmt damit nachhaltige Maßnahmen in den Blick, die mehr bewirken als lediglich Missstände kurzfristig zu kaschieren.
„Ernährungssouveränität ist ein Schlüssel für die weltweite Ernährungssicherung. Sie ist nur herstellbar, wenn wettbewerbsverzerrende Subventionen vollständig abgeschafft werden“, erläutert Löwenstein. „Deshalb dürfen zukünftig ausschließlich ökologische und soziale Zusatzleistungen gesellschaftlich honoriert werden.“ Plagge ergänzt, dass öffentliche Gelder im Bereich Tierhaltung nur noch für tiergerechte Stallbauten und Haltungssysteme gezahlt werden dürften. „Außerdem muss eine Strategie entwickelt und umgesetzt werden, nach der alle Betriebe Tiere nur noch halten dürfen, wenn sie das artgerecht machen. Dieser Ansatz muss im Tierschutzgesetz verankert werden!“, so Plagge weiter.
Der Berliner Bäcker Joachim Weckmann, Vorstand der Assoziation Ökologischer Lebensmit-telhersteller (AoeL) und Mitautor der Thesen, betont, dass eine Ernährungswende für alle Wirtschaftsakteure nur gelingen könne, wenn ihre Leistung mit dem Nationalen Wohlfahrts-Indikator (NWI) gemessen würde und ihre Ergebnisse auf ökologische und soziale Ziele ausgerichtet werden würden. „Wenn wir die sozialen und ökologischen Wirkungen des Wirtschaftens nicht beachten, entziehen wir uns unsere eigenen Grundlagen“, sagt Weckmann und fordert deshalb, Umweltkosten, die bei der Produktion entstehen den Verursachern zuzuordnen und besonders ökologische Produktionsweisen zu honorieren.
„In allen Bereichen verdeutlicht die Ökologische Lebensmittelwirtschaft seit Jahren auf praktische Art und Weise, wie die großen Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden können. Diese Lösungswege müssen als Richtschnur für politische Maßnahmen genutzt werden, mit denen die zentralen Stellschrauben für eine zukunftsfähige Ernährungswirtschaft neu justiert werden“, beschreibt Weckmann die Bedeutung der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft als Pionier der Ernährungswende.
„Ebenso, wie wir zukünftig auf 100 % erneuerbare Energien angewiesen sein werden, werden auch Lebensmittel zu 100 % ökologisch erzeugt werden müssen“, so Löwenstein zum Weg, den die Ernährungswirtschaft ab sofort beschreiten muss. „Es wäre ein Beweis für politischen Weitblick, wenn die Politik jetzt die Wende einleitet und nicht erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. Damit wären wir Vorreiter, würden einen Wettbewerbsvorteil erzielen und hätten die Möglichkeit den Übergang gleitend zu gestalten“, ist Löwenstein überzeugt und betont abschließend auch die wichtige Rolle der Verbraucher: „Da alle Menschen mit ihrem Ernährungsstil und ihrer Kaufentscheidung einen entscheidenden Beitrag zur Ernährungswende leisten können, sollten sie durch die Einführung der Fächer Ernährungslehre und Hauswirtschaft in allen allgemeinbildenden Schulen früh an verantwortungsbewusstes Essen herangeführt werden.“
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