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Wie halten Bio-Bauern ihre Pflanzen gesund?

Vorbeugender Pflanzenschutz ohne chemisch-synthetische Pestizide

Der Pflanzenschutz im Ökolandbau wendet vorbeugende Maßnahmen an und macht sich ökologische Selbstregulationsmechanismen zunutze. Treten dennoch Krankheiten oder Schädlinge auf, können zu deren Abwehr natürliche Substanzen eingesetzt werden. Der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide ist verboten. Mit diesem sanften Pflanzenschutz entlastet der Bio-Bauer die Umwelt von schädlichen und naturfremden Substanzen und stärkt die biologische Vielfalt.

Vorbeugen ist besser als heilen

Bio-Bauern beugen vor damit ihre Pflanzen gesund bleiben. Alle Kulturmaßnahmen wie Standort- und Sortenwahl, Bodenbearbeitung, Fruchtwechsel, Pflanzenhygiene und Düngung werden so gewählt, dass die Pflanzen gesund und entsprechend widerstandsfähig gegen Schaderreger sind. Denn häufig liegen die Ursachen von Krankheiten und Schädlingsbefall in fehlerhaften Anbaumaßnahmen. So treten manche Pflanzenkrankheiten als Folge zu intensivster Kulturführung (z. B. enge Fruchtfolgen, hoher Stickstoffdüngereinsatz) auf [1]. Auf Bio-Äckern spielen solche Krankheiten in der Regel kaum eine Rolle. Demgegenüber beugt die vielseitige, wohldurchdachte Fruchtfolge im Ökolandbau sehr wirkungsvoll zum Beispiel einem übermäßigen Unkrautaufkommen vor [2]. Ziel der ökologischen Maßnahmen ist nicht, Unkräuter oder Schädlinge komplett zu vernichten, sondern ihre Ausbreitung wirtschaftlich tolerabel zu halten. Dieser ganzheitliche Ansatz erfordert ein solides Verständnis der ackerbaulichen und gärtnerischen Zusammenhänge und viel praktisches Können.

Robuste Pflanzen und ein gesunder Boden als Basis

Vorbeugender Pflanzenschutz beginnt mit einem gesunden Boden. Ein biologisch aktiver, durch Bodentiere und Mikroorganismen stark belebter Boden bringt ein krankheitshemmendes Potenzial mit sich [2]. Der im Ökolandbau unabdingbare Anbau von mehrjährigen Ackerfutterpflanzen und von Pflanzen zur Gründüngung sowie der Einsatz organischer Dünger sind die optimale Voraussetzung für den Aufbau einer solchen krankheitshemmenden Bodenumgebung.

An den Standort angepasste Pflanzenarten und -sorten bleiben gesünder, unangepasste Sorten sind hingegen anfälliger für Krankheiten und Schädlinge und benötigen mehr Pflanzenschutz. Die Wahl standortangepasster Pflanzen ist deshalb eine wichtige Säule der vorbeugenden Pflanzengesundheit. Zudem werden in der Pflanzenzüchtung erblich veranlagte Widerstandsfähigkeiten und Unempfindlichkeiten gegenüber Schaderregern gezielt in die Kulturpflanzen eingekreuzt.

Mechanische und biologische Verfahren des Pflanzenschutzes

Auch wenn vorbeugenden Maßnahmen gezielt und konsequent eingesetzt werden, müssen Bio-Bauern manchmal mit einer problematischen Vermehrung von Schaderregern umgehen. Hier helfen den Öko-Landwirten unter anderem natürliche Gegenspieler von Schädlingen wie etwa die Florfliege gegen die Blattlaus [2]. Auch die mikrobiologische Abwehr mittels insektenpathogener Bakterien oder Viren hilft gegen Schädlinge: So bildet das Bakterium Bacillus thuringiensis ein spezifisches, tödliches Gift, das nur bei bestimmten schädlichen Raupen wirkt. Die ausgebrachten Toxinkristalle werden erst im Darm der Zielinsekten aktiviert und sind nur relativ kurze Zeit wirksam. Das im Ökolandbau angewendete Verfahren unterscheidet sich daher grundlegend von jenem, bei dem dieses Toxin durch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen wie z. B. Mais dauerhaft und in allen grünen Teilen der Pflanze produziert wird, was zu Resistenzen der Schädlinge führen und weitreichende negative Effekte für Umwelt und Landwirten haben kann [2].

In der Unkrautregulierung spielen neben den vorbeugenden Maßnahmen vor allem mechanische und bei einigen Kulturen auch thermische Verfahren eine Rolle. Von der Weiterentwicklung dieser Verfahren im Ökolandbau gehen wesentliche Impulse auch für den konventionellen Anbau aus.

Pflanzenschutz mit Hilfe von Naturstoffen und Mikroorganismen

Der Ökolandbau setzt auf Pflanzenschutzmittel mit naturstofflicher oder mikrobieller Basis. So kommen hochwirksame Pflanzenschutzpräparate aus Teilen des tropischen Neem-Baumes, die seit Jahrtausenden in Indien eingesetzt werden, auch bei uns gegen verschiedene Insektenarten zum Einsatz. Gegen bestimmte Typen eines weitverbreiteten Schadpilzes im Acker- und Gartenbau können Sporen eines natürlichen Bodenpilzes (Coniothyrium minitans) eingesetzt werden [2]. Ferner Nutzen Bio-Bauern Kaliseifen, Pflanzenöle und -extrakte zur direkten Regulierung von Schadorganismen. Durch den Einsatz nachempfundener Sexuallockstoffe werden beispielsweise Traubenwicklermännchen orientierungslos und finden nicht zu den Weibchen, wodurch die Vermehrung dieses spezifischen Schädlings gehemmt wird, ohne andere Schmetterlingsarten zu beeinträchtigen [2].

Wo Öko-Pflanzenschutzes weiterentwickelt werden muss

Trotz der Erfolge dieses ganzheitlich orientierten, sanften Pflanzengesundheitskonzeptes besteht auch beim Öko-Pflanzenschutz Weiterentwicklungsbedarf. Ein Bereich, an dem weiter geforscht werden muss, ist der Einsatz von Kupfermitteln. Diese werden zwar auch im konventionellen Anbau eingesetzt, sind aber vor allem in Bio-Sonderkulturen wie Obst und Wein und im Kartoffelbau bisher alternativlos – denn die konventionellen Kollegen greifen in Alternative zu Kupfer auf andere chemisch-synthetische Pestizide zurück, die bei Öko tabu sind. Der Ökolandbau hat sich hierzulande selbst strengste Mengenbegrenzungen für deren Anwendung gesetzt. Trotzdem unternehmen Forschung und Praktiker erhebliche Anstrengungen, den Einsatz weiter zu minimieren. Die deutschen Bio-Verbände verpflichteten sich bereits seit 2010 zu einer Kupferminimierungsstrategie. Eine wichtige Kupferminimierungsmaßnahme im Öko-Weinbau wäre der Einsatz von Kaliumphosphonat, der mittlerweile jedoch nicht mehr möglich, weil der Stoff nicht länger für den Ökolandbau zugelassen ist. Die Wiederzulassung dieses unbedenklichen Mittels würde die Kupferminimierung des Öko-Weinbaus ein großes Stück voranbringen [4].

Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass insbesondere in Sonderkulturen oft die vorbeugenden Maßnahmen alleine und zuweilen auch die direkten Maßnahmen nicht ausreichen, um einen hinreichenden Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen zu gewährleisten. Daher kann es bei Bio-Bauern auch zu teils starken Ernteausfällen kommen, die sich in höheren Produktionskosten widerspiegeln. Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind die Folgekosten des konventionellen Pflanzenschutzes durch die unerwünschten Effekte chemisch-synthetischer Pestizide auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit jedoch weitaus höher, nicht zuletzt aufgrund der Belastung des Trinkwassers und von Lebensmitteln durch Pestizidrückstände. Die irreversible Schädigung von Artenvielfalt oder Boden, die der Landwirtschaft selbst ihre Produktionsgrundlagen entzieht, macht deutlich: der Öko-Ansatz, Pflanzen vorbeugend gesund zu erhalten und auf weitgehend unschädliche Naturstoffe beim Pflanzenschutz zu setzen, ist ein System für eine nachhaltige Landwirtschaft, die weiter in die Breite getragen werden sollte.


Quellen:

[1] Diercks, R. (1986): Alternativen im Landbau. Ulmer Verlag, Stuttgart.

[2] Kühne, S., Burth, U. und Marx, P. (2006): Biologischer Pflanzenschutz im Freiland – Pflanzengesundheit im ökologischen Landbau. Ulmer Verlag, Stuttgart.

[3] Kühne, S. und Friedrich, B. (2003): Pflanzenschutz im ökologischen Landbau – Probleme und Lösungsansätze. Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 118.

[4] BÖLW (Hrsg.) (2013): Öko-Weinbau und Kaliumphosphonat.

 


Ihr Kontakt zum BÖLW

Dr. Friedhelm von Mering
Referent Politik

 +49 15165498578
mailto:mering[at]boelw.de

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