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Warum werden Bio-Produkte ohne Gentechnik hergestellt?*

Ganzheitliche Lösungen anstelle riskanter Techniken

Der Einsatz der Gentechnik in der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft ist gesetzlich verboten und widerspricht dem Selbstverständnis der Branche. Die Nutzung der Gentechnik in der Landwirtschaft (Agro-Gentechnik) birgt erhebliche Risiken. Die Bauern führt sie in neue Abhängigkeiten. Ihr Einsatz zwingt Öko-Produzenten zu umfangreichen und kostspieligen Sicherungsmaßnahmen, denn die Kosten für den Einsatz trägt nicht der Verursacher sondern die Betriebe, die Gentechnik gar nicht einsetzen.

Bio-Praktiker lehnen die riskante, gentechnologische Manipulation der Natur ab

Die ökologische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion hat ihre Wurzeln in einer ganzheitlichen Betrachtung natürlicher Zusammenhänge, in der die Natur als nicht beliebig manipulierbar begriffen wird. Die Agro-Gentechnik hingegen folgt dem Prinzip der technologischen Machbarkeit und betrachtet Lebewesen als willkürlich zerleg- und veränderbares Material. Anders als bei der klassischen Züchtung, in der das gesamte Erbgut zweier Individuen der gleichen oder sehr nahe verwandten Art miteinander kombiniert wird, zerstückelt und isoliert die Gentechnik das Erbmaterial und überträgt es sogar über Artgrenzen hinweg. So wurden beispielsweise den durch Gentechnik schädlingsresistenten Maissorten Gene des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut. Diese eindimensionale Betrachtung der Agro-Gentechnik wird den komplexen Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Natur nicht gerecht [1]. Zudem nimmt sie unkalkulierbare ökologische und gesundheitliche Risiken [2; 3; 4] sowie hohe Folgekosten in Kauf [5; 6].

Risiken und vermeintliche Vorteile der Gentechnik

Teile der Forschung und der Anbau von Agro-Gentechnik-Pflanzen finden in der freien Natur statt. Eine Ausbreitung und Vermehrung der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) lässt sich weder ausschließen, noch kann sie rückgängig gemacht werden. Rückholpläne sind weder ein Bestandteil der Forschung und Entwicklung noch der Prüfung von Gentechnik-Pflanzen. Das wird besonders dann zum Problem, wenn sich herausstellt, dass Risiken übersehen worden sind. Zudem sind traditionelle Kultur- und Wildpflanzen von Auskreuzungen bedroht, die zu unwiederbringlichen Verunreinigungen führen können [3].

80 % der derzeit verwendeten GV-Pflanzen sind derart manipuliert, dass sie das Spritzen von Totalherbiziden (Unkrautvernichtungsmittel) überstehen, während andere Pflanzen als die Gentechnik-Pflanzen durch diese Totalherbizide fast komplett vernichtet werden. Dadurch werden zugleich Insekten – und in der Folge Vögeln und anderen Tieren – Nahrungsquellen entzogen. Die Gentechnik verschlimmert damit das durch die herkömmliche Intensiv-Landwirtschaft bedingte Artensterben [4].

Auch das Heilsversprechen der Gentechnik-Industrie, dass Spritzmittel eingespart werden, wird nicht gehalten: Durch den Einsatz der Totalherbizide bilden sich bei Unkräutern zunehmend Resistenzen aus, die infolgedessen mit immer mehr Spritzmitteln bekämpft werden müssen [7; 8].

Einige Gentechnik-Pflanzen, so der GV-Mais, der kurzzeitig in Deutschland angebaut wurde, produzieren fortwährend ein Insektengift zur Schädlingsabwehr – und das, obwohl die Auswirkungen auf sogenannte „Nichtzielorganismen“, also alle anderen Insekten wie etwa Bienen, Schmetterlinge oder Käfer, sind noch nicht abschließend geklärt. Studien zeigen negative Einflüsse z. B. auf Regenwürmer und Falter [9; 10]. Die hohe Verbreitung der GV-Pflanzen, die Insektengifte produzieren, hat in den USA bereits zu Resistenzen der Schädlinge geführt. Es werden nun zusätzliche Spritzungen mit Insektiziden empfohlen, was die Problematik des Artensterbens weiter verschärft [11].

Gentechnik bietet keine nachhaltige Lösung des Hungerproblems

Die Ursachen des Hungers sind weit komplexer, als dass sie sich mit speziellen Eigenschaften bestimmter Pflanzen beheben lassen würden. Durch die hohen Kosten genmanipulierten Saatguts sowie das Verdrängen heimischer, angepasster Sorten und Anbauverfahren besteht die Gefahr neuer Abhängigkeiten – gerade für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln auf dem Land, die am stärksten von Hunger bedroht sind. In Argentinien etwa hat der verstärkte Anbau von Gentech-Soja das Hungerproblem verschärft, da Kulturen für die lokale Versorgung zurückgedrängt wurden. Entwicklungshilfeorganisationen sprechen sich klar gegen die Agro-Gentechnik aus [12; 13]. Und: Ein Großteil der Gentechnik-Pflanzen wandert nicht in die Mägen hungernder Menschen, sondern wird zur Energieerzeugung oder Tierfütterung, zumeist in Industrieländern, verwertet.

Gentechnik macht Bio-Produkte teurer

In der Öko-Lebensmittelwirtschaft ist die Anwendung der Gentechnik verboten. Betriebsinterne Qualitätssicherungsmaßnahmen, das Öko-Kontrollsystem und die staatliche Lebensmittelüberwachung gewährleisten die Einhaltung dieses Verbots. Bei einer Ausweitung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen steigt jedoch das Risiko einer Kontamination von Öko-Produkten oder konventionellen Waren, die ohne Gentechnik produziert werden. Da die Ökologische Landwirtschaft eingebunden in ihre Umgebung wirtschaftet, kann die Verunreinigung mit GVO, etwa durch Pollenflug oder unbeabsichtigte Erntevermischungen von Nachbarfeldern sowie Transport oder Verarbeitung, nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden.

Um Bio-Produkte gegen Gentechnik-Einträge zu sichern, sind umfangreiche und kostspielige Qualitätssicherungsmaßnahmen notwendig [14]. Ferner müssen die Bio-Betriebe frühzeitig Beweise sammeln und Maßnahmen dokumentieren, um sich gegen mögliche Schäden absichern zu können. Die Gesetze ordnen diesen zusätzlichen Aufwand nicht den Verursachern zu. Daher müssen die Mehrkosten von denen getragen werden, die Gentechnik-Pflanzen gar nicht nutzen. Das verteuert Produkte derer, die keine Gentechnik auf dem Acker und in ihren Lebensmittel wollen [5; 6].

Geringe wirtschaftliche Bedeutung der Agro-Gentechnik

Seit 1996 werden gentechnisch veränderte Pflanzen – fast ausschließlich Soja, Mais, Baumwolle und Raps – kommerziell angebaut. Weltweit im Jahr 2016 auf ca. 13 % aller Ackerflächen. Rund drei Viertel der Gentechnik-Pflanzen werden in den USA (39 %), Brasilien (26 %) und Argentinien (13 %) angebaut. In Europa hat ihr Anbau bislang kaum wirtschaftliche Bedeutung [15].

GV-Pflanzen sind im Gegensatz zu herkömmlichen Gewächsen mit Patenten belegt. Damit schränken die Konzerne bedeutende Rechte von Bauern, wie bspw. der Nachbau des Saatgutes, ein. Die Konzentrationsprozesse in der Saatgutbranche und die Verringerung der Nutzpflanzenvielfalt werden weiter beschleunigt. Häufig ist bei Gentech-Pflanzen der Einsatz bestimmter Herbizide aus dem Konzern vorgeschrieben – die Konzerne sicher mit der Produktion des patentierten Saatguts also ihr Kerngeschäft ab, was ursprünglich häufig die Herstellung von Chemikalien ist.

Insgesamt sind in Europa keine positiven Arbeitsplatzeffekte von der Agrar-Gentechnologie zu erwarten, da gentechnisch veränderte Pflanzen höchst umstritten sind und keine Nachfrage haben.


* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an den Stellen, die aktuelle Zahlen ausweisen, aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.


Quellen:

[1] Wang, S. et al. (2006): Tarnishing Silver Bullets. Bt Technology Adoption, Bounded Rationality and the Outbreak of Secondary Pest Infestations in China.

[2] BÖLW (Hrsg.) (2011): Risiken mit amtlichem Siegel: Mängel bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen.

[3] Quist, D. und Chapela, I. H. (2001): Transgenic DNA introgressed into traditional maize landraces in Oaxaca, Mexico. Nature 414, S. 541–543.

[4] Gen-ethisches Netzwerk (Hrsg.) (2004): Bewertung der „Farm-Scale-Evaluation“, Berlin.

[5] BÖLW (Hrsg.) (2015): Schadensbericht Gentechnik.

[6] FoE Europe (Hrsg.) (2011): The socio-economic effects of GMOs – Hidden costs for the food chain.

[7] Benbrook, C. M. (2009): Impacts of Genetically Engineered Crops on Pesticide Use: The First Thirteen Years.

[8] Grube, A., Donaldson, D., Kiely, T., Wu, L (2011): Pesticides industry sales and usage. 2006 and 2007 market estimates. EPA, Washington, D.C.

[9] Lang, A. und Vojtech, E. (2006): The effects of pollen consumption of transgenic Bt maize on the common swallow-tail, Papilio machaon L. (Lepidoptera, Papilionidae). Basic and Applied Ecology 7 (4): 296–306.

[10] Vercesi, M. L., Krogh, P. H. und Holmstrup, M. (2006): Can Bacillus thuringiensis (Bt) corn residues and Bt-corn plants affect life-history traits in the earthworm Aporrecto-deacaliginosa? Applied Soil Ecology 32/2, S. 180–187.

[11] Gassmann, A. J., Petzold-Maxwell, J. L., Keweshan, R. S., Dunbar M. W. (2011): Field-Evolved Resistance to Bt Maize by Western Corn Rootworm. PLoS ONE 6(7): e22629.doi:10.1371/journal.pone.0022629

[12] Misereor: www.misereor.de > Presse

[13] Brot für die Welt (2004): „Grüne Gentechnik taugt nicht zur Hungerbekämpfung“

[14] BÖLW und Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Hrsg.) (2012): Praxishandbuch „Bioprodukte ohne Gentechnik“

[15] International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA), Informationsdienst Gentechnik


Ihr Kontakt zum BÖLW

Dr. Friedhelm von Mering
Referent Politik

 +49 30 28482-306
mering[at]boelw.de

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